70.000€?! Eine Menge Geld – dafür bekommt man beispielsweise drei „nackte“ Basis-Golf 8. Und hat dann noch fast 8000€ übrig. Oder man kauft sich einen Golf 8 R – mit Vollausstattung. Wir testen, was der 70.000€ Golf in den bayerischen Alpen kann.
Seit der Vorstellung des Golf 8 Ende 2019 sind wir schon so einige Derivate gefahren: eTSI (Video), TDI, GTI, GTD, GTI CS. Fehlt also noch der Golf R, das Topmodell der Baureihe. Der liefert 320 PS und 420 Nm aus dem EA888-Motor mit zwei Litern Hubraum. Die Leistung verwaltet serienmäßig ein Doppelkupplungsgetriebe und schickt sie über einen variablen Allradantrieb an die Räder. Unser Testwagen ist darüber hinaus noch mit dem „R-Performance Paket“ für 2265€ ausgestattet, das den Golf erst bei Tempo 270 elektronisch einfängt und die Fahrmodi „Drift“ uns „Special“ beinhaltet – dazu später mehr. Außerdem im R-Performance Paket enthalten: Der große Heckspoiler aus dem GTI Clubsport und 19“ Felgen.
Golf 8 R: Komfortabel auf der Langstrecke
Was also tun, wenn der R-Golf vor der Tür steht? Natürlich artgerecht bewegen. Also ab zum Wochenendausflug in die bayerischen Alpen in der Nähe von Berchtesgaden. Auf den 350 km Anreise fällt der Golf 8 R positiv auf: Dank adaptiver Dämpfer (1045€) lässt sich die Härte des Fahrwerks in zahlreichen Stufen einstellen. Zwar fordert der Golf auf der Autobahn noch immer gewisse Nehmerfähigkeiten der Reisenden, insbesondere bei kurzen Stößen. Doch von einer brettharten Abstimmung ist der Golf R weit entfernt. Auffällig sind hier vor allem bei höheren Geschwindigkeiten ab etwa 160 km/h die Windgeräusche – Akkustikverglasung für die Seitenscheiben lässt sich allerdings nicht ordern. Was dagegen angenehm auffällt sind die Sportsitze mit Lederpaket, Sitzheizung und Sitzbelüftung (2895€), die sehr komfortabel sind sowie der sehr gute Travel-Assist, der auf Wunsch teilautonom Lenkung, Gas und Bremse übernimmt. Warum sich allerdings nur der Fahrersitz elektrisch einstellen lässt, weiß wohl nur Volkswagen. Pflicht auf der Autobahn gut erfüllt – und die Kür in den Bergen?
Auf Wunsch auch Querverkehr
Unser Golf 8 R steht für 1000€ Aufpreis auf Sportreifen (Michelin Sport Cup 2). Sicherlich nicht die beste Wahl bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Trotzdem macht der Golf R dynamisches Fahren einfach: Die Lenkung ist direkt ausgelegt und berichtet gut über die Gripverhältnisse an der Vorderachse und wer es übertreibt erntet sicheres untersteuern. Außer der Drift-Modus ist aktiviert. Dann lässt der Golf auch Leistungsübersteuern zu – sofern man auch das ESC vollständig deaktiviert. In der ESC-Stellung ‚Sport‘ greift die Elektronik dagegen teilweise unpassend ein. Wir empfehlen die Verwendung des Drift-Modus – genau wie Volkswagen – für die Verwendung auf abgesperrten Strecken.
Golf 8 R: Nicht nur in der Anschaffung teuer
Doch auch ohne Drift-Modus macht der Golf R richtig Spaß. Vor der Kurve scharf anbremsen, einlenken und dann früh aufs Gas. Bei Traktionsverlust an der Vorderachse schaltet die Elektronik die Hinterachse mittels Haldexkupplung schnell zu. Unter Volllast gelegentlich auch etwas gröber und gut spürbar. Hier dürften die Sportsitze außerdem gerne noch mehr Seitenhalt bieten. Besonderer Freundenspender ist außerdem die optionale Akrapovic-Auspuffanlage die auf Wunsch beim Herunterschalten zahlreiche Fehlzündungen einstreut. Der Preis dafür: 3800€. So viel Spaß kostet natürlich auch an der Tankstelle. Auf unserer Sportrunde haben wir knapp 20 Liter Super Plus auf 100 Kilometer verbrannt. Auch sonst ist der Golf 8 R kein besonders sparsames Auto. Im Alltag pendelt sich der Verbrauch bei etwa 10 Liter auf 100 Kilometer ein. Wer es darauf anlegt kann den Golf R aber auch mit knapp sieben Litern bewegen – sofern man im Comfortmodus viel segelt und die Start-Stopp-Automatik nutzt.
Typisch Golf 8: Infotainment
Fahrspaß kann der Golf 8 R also – doch leider leidet auch der Golf R an den grundlegenden „Golf 8-Krankheiten“. Das System reagiert schlecht auf Eingaben, die Sprachsteuerung ist langsam und begriffsstutzig, die Kartendarstellung des Navis ruckelt beim Zoomen und das Aktivieren der Sitzheizung mittels Touchgeste ist weiterhin ein Glücksspiel, um nur einige Beispiele zu nennen – im Vergleich zu unserem Video aus dem Jahr 2019 hat sich hier leider wenig getan. Und dann ist da natürlich noch der Preis. Für etwa 70.000€ bekommt man auch einen vergleichbar ausgestatteten Audi S3, BMW M135i oder AMG A35. Dort ist dann auch die Materialanmutung im Innenraum besser.
Auf der Langstrecke überzeugt der Golf R mit guten Assistenzsystemen und bequemen Sitzen. Auch auch auf den Landstraßen rund um Berchtesgaden bereitet der Golf 8 R viel Freude. Trotzdem erscheint uns der Testwagenpreis von fast 70000€ – insbesondere mit Blick auf das nervige Infotainment und die Materialqualität im Innenraum – für das Gebotene zu teuer.
Technische Daten Golf 8 R
Leistung/Drehmoment | 230 kW (320 PS) / 420 Nm |
Hubraum | 1.984 cm³ |
Getriebe: | 7-Gang DSG Serie |
Antrieb: | Variabler Allradantrieb |
Turbolader | Continental |
Abgasnorm | EURO 6 AP |
0-100 km/h: | 4,7 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 270 km/h (Perf. Paket) |
Leergewicht | 1.551 kg |
Verbrauch angegeben | 7,1 Liter / 100 Km |
Kofferraumvolumen | 380 / 1.270 L |
Felgen | 18 Zoll Serie, max. 19 |
Tankinhalt | 50 L |
Basispreis | 50.220 € |
Testwagenpreis | ca. 69.000 € |