“Das Modell mit dem 3 Liter V6 Diesel mit 238 PS, einem Drehmoment von 550 Nm und der Sieben-Gang-Automatik.” Was anderswo die Top-Motorisierung sein könnte ist beim japanischen Premium SUV aus dem Hause Nissan, dem Infiniti QX70, die kleinste und vernünftigste Variante. Können das extravagante Design, der V6 Diesel und die Komfortsysteme des QX70 überzeugen? Wie viel Premium steckt im beliebtesten Fahrzeug von Infiniti?
Dicht gefolgt vom neuen Q50 ist der QX70 ganz klar das Fahrzeug der Marke Infiniti (die man auf jeden Fall nicht mit “y” am Ende schreibt), das mir am besten gefällt. Das Design ist außergewöhnlich. Nobel, cool und muskulös. Einen “Sportwagen, verschmolzen mit einem SUV” soll er darstellen. An den Stellen, an den der QX50, das kleinere SUV, für meinem Geschmack zu viele Rundungen hat überzeugt der QX70 durch teils scharfe Kanten, etwa an den Front- und Heckscheinwerfern. Ein Absoluter Hingucker sind auch die verchromten “Luftauslässe” am Radlauf vorne. Die 21 Zoll Alufelgen nennen sich nicht nur “Turbinendesign”, sondern sehen beim direkten Hineinsehen tatsächlich wie die Blätter eines Flugzeugtriebwerks aus. Markant ist natürlich auch die Frontpartie, die vorne mit einem gefühlt riesigen, dick verchromten Kühlergrill endet und deren muskulöse Form man durch die Frontscheibe beim Fahren stets im Blick hat. Um die Dimensionen mal anders darzustellen: Der Wagen wiegt knapp 2,2 Tonnen. Mein Duplex-Garagenstellplatz trägt aber nur max. 2 Tonnen. Das bedeutete: Draußen parken und früh alles freikratzen, hierbei kann es schonmal schwierig werden, überhaupt richtig bis oben an die Mitte der Frontscheibe zu kommen. Kleinere Personen sollten also wohl eher auf Enteiser-Spray zurückgreifen. Der Infiniti QX70 gefällt nicht nur mir. Mitfahrer fanden ihn ebenfalls heiß, an der Tankstelle wurde ich zweimal gefragt ob das schöne Auto denn ein Mazda wäre. Eventuell ähneln sich die Logos, klar ist: Infiniti ist in Deutschland noch viel zu unbekannt!
Interieur: Japanisch, komfortabel, sportlich.
Ist man eingestiegen, interagiert der QX70 insofern mit dem Fahrer, als er den Sitz nach Einschalten der Zündung nach vorne fährt. Verlässt man das Fahrzeug, wird er nämlich zum angenehmeren Aussteigen nach hinten gefahren. Neben rundum elektronisch einstellbaren Leder-Vordersitzen bietet der Fahrersitz zusätzlich die Möglichkeit, die Seitenwangen an der Sitzfläche und an der Rückenfläche separat enger oder weiter zu stellen. Auch ohne ein Enger-Stellen bieten die Sitze aber einen recht guten Halt und sind nicht nur bequem sondern auch hübsch: Das schwarze Leder ist komplett mit “quer verlaufenden”, dezenten Linien abgenäht.
Sonst ist der Innenraum sowohl sportlich aus auch gemütlich. Sehr vieles, wie der Dachhimmel, ist in Schwarz gehalten. Die Farbe Lila als Farbe der Marke Infiniti zieht sich durch das gesamte Design: Das große Navidisplay ist lila hinterlegt, auch der Tacho und die bei Dunkelheit beleuchteten Knöpfe sind in Lila getaucht. Das Festplattenbasierte Navigations- und Entertainmentsystem “Connectivity+” beherrscht zwar kein Bluetooth Audio mit dem iPhone 5, lässt sich aber, genau wie im Nissan 370Z, perfekt sowohl per Touch- als auch über den vor dem Display liegenden Wählrad bedienen. Neben einer zuverlässigen Navigation bietet es beispielsweise die Möglichkeit, die Reifendrücke in Echtzeit oder einen Verbrauchs-Log anzuzeigen. Die kleine Multifunktionsanzeige inmitten der Tachoeinheit bietet mir zu wenige Infos auf einmal, hier hält hoffentlich bald eine farbige, hochauflösende Darstellung wie im Q50 Einzug.
Die Übersichtlichkeit ist nach vorne und zur Seite hin super, weiter hinten verliert man schon leicht mal das Geschehen aus den Augen. Hierzu schafft der Around View Monitor perfekte Abhilfe. Vier Kameras, hinten, vorne und unter den beiden Außenspiegeln, nehmen jeweils Videobilder auf, die vom System zu einer virtuellen Draufsicht auf das Fahrzeug zusammengesetzt werden. Auch sehr enge Parklücken lassen sich damit aus allen Richtungen ganz einfach befahren. Eine Bewegtobjekterkennung gibt Alarm, falls z.B. eine vorbeilaufende Person dem Fahrzeug zu nahe kommt. Man kann also sagen: Bei (äußerst langsamen!) Geschwindigkeiten lässt sich der QX70 ganz ohne Blick nach draußen nur mit dem Around View System einparken.
Die Premiummarke Nissans?
Die verschiedenen Modelle innerhalb der VWAG sind das beste Beispiel: Egal ob die günstige Variante oder die Luxusmarke eines Autos, überall finden sich identische Elemente wieder. Mal besser, mal schlechter umgesetzt. So steckt schon mal das Audi-Navi abgewandelt aber sehr ähnlich im Lamborghini. Auch bei Infiniti gibt es extrem viele Ähnlichkeiten zu Nissan, manche Elemente wurden für die teurere Marke verbessert, manche nur übernommen. So z.B. das Multifunktionslenkrad: Man findet es fast genauso im Nissan Juke, 370Z oder weiteren Modellen. Ärgerlich: Die Tasten an ihm geben keinerlei Feedback und fühlen sich recht billig an – das passt nicht ins Premiumsegment. Beim neuen Infiniti Q50 hat man dagegen schon ein eigenes, hochwertigeres Lenkrad verbaut. Etwas störend und nicht zum Nobel-Konzept von Infiniti passend sind die Drehschalter für Sitzheizung und -Lüftung, sowie die Sport-Taste, die einfach nur ein großer Klappschalter ist – das muss bei der neuen Modellgeneration unbedingt schöner werden. Bei Starts früh am Morgen wie in den letzten Tagen (0 bis minus 5 Grad) machte sich bemerkbar, dass sowohl die Heizung als auch die Sitzheizung sehr lange brauchen, bis sie mal etwas Wärme abgeben. Fast alle von mir bisher gefahrenen Diesel (mit Zuheizer) sind da schneller. Soviel zu den Dingen, die nicht ins Premiumsegment passen – allerdings gleichen viele schöne Details wie die silbernen Bremssättel mit Infiniti-Logo, die insgesamt gute Verarbeitung oder der serienmäßig hohe Komfort im Innenraum diese weitestgehend aus.
V6-Diesel und Fahrgefühl
An einer 2-spurigen, innerstädtischen Straße stand ich mit dem QX70 bei Rot an der Haltelinie neben einem Porsche Cayenne. Beim schnellen Ampel-Start der beiden Fahrzeuge konnte der 238 PS starke Diesel weder vom Sound als auch von der Beschleunigung nicht ganz mit dem Cayenne mithalten, aber das geht in Ordnung. Natürlich geht das auch ganz anders, so hat Can letztes Jahr seinen Gefühlen im Straßenverkehr freien Lauf gelassen und einige spektakuläre Fahrmanöver mit dem bislang stärksten QX70 5.0 S Premium hingelegt. Ein 5 Liter 8-Zylindermotor mit 390 PS arbeitet in dieser Version des QX70. Diese Werte werden übrigens mittlerweile durch den QX70 in der Vettel Edition übertroffen, die Camillo von imaedia.de kürzlich gefahren hat: Hier gibt es nochmal 30 PS mehr. (0-100 km/h in 5,6 Sekunden).
Aber zurück zu meinem Diesel: 8,3 Sekunden braucht er von 0-100 km/h, 9 Liter soll er im Schnitt verbrauchen. Geschaltet wird übrigens (wie bei allen QX-Modellen) ausschließlich mit einem 7-Gang-Automatikgetriebe. Das Angenehme an diesem V6 Diesel ist, dass er wirklich ab der ersten Gaspedalbewegung kräftig anzieht, bzw. schiebt: Der QX70 besitzt einen intelligenten Allradantrieb. In der Regel wird die komplette Kraft auf die Heckachse übertragen, bei Bedarf werden die Vorderräder zugeschaltet. Das Drehmoment von 550 Nm spürt man also deutlich, auch bei Beschleunigungsetappen, etwa auf Landstraßen, kann der Motor die über 2 Tonnen Gewicht des Fahrzeugs wirklich gut ausgleichen. Gefühlt hätte ich dem Dieselaggregat auch ein paar PS mehr attestiert. Das Automatikgetriebe schaltet auch im normalen Modus durchaus sportlich, so wird regelmäßig erst sehr spät in den nächsthöheren Gang gewechselt. Zum – optional auch heftigen – Beschleunigen ist sozusagen der passende Gang fast immer schon eingelegt. Eine effizientere Abstimmung der Automatik, gerade für den Stadtverkehr um die 50-70 km/h, hätte ich mir gewünscht. Das hätte vermutlich auch zum (einzigen) Diesel gepasst, aber schließlich will der QX70 ja eigentlich ein Sportler sein. Die Schaltvorgänge gehen sehr schnell und mit geringer Zugkraftunterbrechung von statten.
Zur Kraft des V6-Aggregats, das übrigens von Renault stammt, kommt noch dessen Klang. Er passt perfekt zum großen SUV und klingt ziemlich potent. Vergleichbar etwa mit einem der neuen Multijet II Diesel im Jeep Grand Cherokee. Passanten erschreckt man damit zwar nicht, besonders von Innen stimmt die Soundkulisse. (Video!) Trotz der großen Flächen und Kanten des Fahrzeugs sind Windgeräusche im Inneren erst ab Geschwindigkeiten über 160 km/h richtig wahrnehmbar. Die Lenkung des QX70 würde ich im Stadtverkehr relativ schwergängig bezeichnen. Natürlich, die Sportlichkeit will man nicht außer Acht lassen, allerdings gibt es eine Menge geschwindigkeitsabhängiger Servolenkungen die z.B. beim Einparken mehr Lenkkraftunterstützung bieten, ohne auf Überland-Etappen zu “weich” zu sein. Hier hat mir also etwas der Komfort und eine bessere Feinabstimmung gefehlt. Am meisten Fahrspaß bietet Sie aber beim Fahren auf kurvigen Landstraßen. Genau dort, wo viele SUVs enttäuschen. Beeindruckend ist die geringe Seitenneigung, die nach meiner Wahrnehmung extrem reduziert wurde. Ich fahre eine enge Kurve schnell, kann aber noch sehr direkt lenken und bekomme nicht das Gefühl, ich würde gleich umkippen. Obwohl der Schwerpunkt bei einem SUV wie dem Infiniti relativ hoch liegt, scheint er sich kaum neigen zu wollen. Für direkte und spaßige Kurvenfahrten ohne Traktionsverlust spielt neben den extra breiten Reifen auch das Fahrwerk mit seinem elektronischen Dämpfungsregler eine Rolle. Genau wie bei der aktiven Hinterradlenkung spürt man eine Umstellung des Fahrwerks auf den “Sport”-Modus der Dämpfer im Straßenverkehr kaum – das würde sich vermutlich auf der Rennstrecke deutlicher bemerkbar machen.
Für den Verbrauch sind kombiniert 8,6 Liter Diesel / 100 Kilometer angegeben, ich habe fast nie mehr als 10 Liter verbraucht, obwohl ich dieses Mal sehr viel im Stadtverkehr unterwegs war – somit ein richtig guter Wert. Für Größe, Gewicht und Fahrspaß gehen die 10 Liter durchaus in Ordnung, nach Meiner Ansicht ist der 3 Liter Diesel spaßmäßig absolut ausreichend und schießt den Verbrauch nicht ins Unermessliche wie die beiden stärkeren Benziner.
Assistenzsysteme in Serienausstattung
Der QX70 kommt serienmäßig so gut ausgestattet wie kaum ein anders Fahrzeug. Nicht nur das Around View System, die elektrische Heckklappe und ein Bose Soundsystem sondern auch verschiedene Assistenzsysteme sind teil der Serienausstattung. Eine ACC, bei Infiniti “intelligente Geschwindigkeitsregelung”, hält den Abstand zum Vordermann in drei wählbaren Stufen und wird direkt am Multifunktionslenkrad bedient. Auch bei sehr langsamen Geschwindigkeiten wie im Stau bleibt sie aktiv, nach 2 Sekunden im Stillstand muss der Fahrer wieder übernehmen. Dass die Geschwindigkeitsregelung, also der Termpomat, auch außerhalb der Radar-Funktionen intelligent ist merkt man daran, dass die Regelung in Autobahnkurven, für die die Set-Geschwindigkeit zu hoch wäre um noch entspannt lenken zu können, automatisch etwas Gas wegnimmt. Auf Wunsch ist auch ein Spurassistent aktiv, der bei Verlassen der Fahrbahnmarkierungen die Geschwindigkeit reduziert und akustisch warnt. Ein Auffahrwarnsystem, das für dynamische Fahrweisen angenehm spät Alarm schlägt, ist auch an Bord.
Ein kräftiger Motor mit tollem Sound, ein für ein SUV überraschend sportliches Fahrwerk, ein beeindruckendes Design und dazu ein Verbrauch von etwa 10 Litern trotz seines hohen Gewichts und meiner dynamischen Fahrweise: Der QX70 hat mir sehr viel Spaß gemacht und meine Wahl würde sicherlich auf die 3 Liter V6 Dieselvariante fallen! Nur ein paar Kleinigkeiten müssen noch verbessert werden, damit der Sport-SUV komplett im Premium-Segment ankommt. Viele Komfort- und Assistenzsysteme, die zusammen mit dem Diesel die Langstreckentauglichkeit unterstützen, sind in der Serienausstattung enthalten.
Ein weiterer Fahrbericht findet sich auf autogefühl.de.
Infiniti QX70 3.0d S Premium Black & White Edition
[column grid=”2″ span=”1″] Leistung/Drehmoment: 238 PS (175 kW) / 550 NmGetriebe: 7-Gang Automatikgetriebe
0-100 km/h: 8,3 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 212 km/h
Leergewicht: ca. 2100 Kg
Verbrauch berechnet: 10,0 Liter / 100 Km (Kombiniert)
Gefahrene Kilometer: 1000
Farbe: Obsidian Black
[/column] [column grid=”2″ span=”1″] Kofferraumvolumen (umgeklappt): 750 L (2200 L)
Grundpreis: 66.750 EUR
Testwagenpreis: 66.750 EUR
Sonderausstattung (Auszug): Bi-Xenonscheinwerfer, Connectivity+, elektr. Heckklappe, Around View Monitor, aktive Hinterradlenkung, elektr. Dämpferregelung, Bose Soundsystem, Intelligente Geschwindigkeitsregelung, Auffahrwarnsystem, Spurassistent.
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