Gut 17% der im September 2021 neu zugelassenen PKW in Deutschland wurden mit reinem batterieelektrischem Antrieb zugelassen. Tendenz: steigend. Volkswagen stand mit dem vollelektrischen ID.3 damit im September 2021 laut KBA auf Platz zwei der Neuzulassungen im Segment der Kompaktklasse. Ganz anders sieht es dagegen in der Klasse der Kleinwagen aus. Hier tritt ab sofort der überarbeitete VW Polo an – ganz ohne Elektrounterstützung. Wir haben getestet, ob diese Rechnung aufgeht.
VW Polo – Mit R-Line, DSG und Vollausstattung überraschend teuer
Wir fahren den VW Polo in der Ausstattungslinie „R-Line“ in Kombination mit dem 110 PS Benziner und 7-Gang-DSG – mit beinahe Vollausstattung für stolze 33.005€. Was bekommt der geneigte Polokäufer für diesen stattlichen Preis? Vereinfacht gesagt: Fast Alles, was auch im aktuellen Golf 8 angeboten wird. Matrix-LED-Scheinwerfer, aktiver Spurhalteassistent (IQ.Drive), Einparkassistent und Spurwechselwarner lassen sich nun auch in der Kleinwagen-Klasse bestellen. Dazu wird der VW Polo nun immer mit einem Display als Tacho ausgeliefert. Lediglich auf Headup-Display, Lenkradheizung oder eine dritte Klimazone muss der Polofahrer verzichten. Dafür stimmt die Innenraumqualität, sie liegt gefühlt sogar über der des Golfs – der Polo ist schließlich noch ein Volkswagen „alter Schule“. Das Armaturenbrett ist großzügig aufgeschäumt, das Infotainmentsystem arbeitet zügig und ohne größere Aussetzer. Auch alte Schule: Der große DSG-Wahlhebel und das nur bedingt einstellbare digitale Cockpit. Gespart hat sich Volkswagen allerdings die Haltegriffe im Dachhimmel.
Übrigens: In unserem Video im VW-Studio haben wir die Design-Highlights bereits ausführlich gezeigt.
Wendig in der Stadt, ausreichend schnell außerorts
Der Dreizylinder mit 999 cm3 startet mit leichtem schütteln nach Druck auf den Startknopf. Anders als beim Golf wird dieser nicht durch einen Elektromotor unterstützt, hält sich aber im Alltagsbetrieb akustisch zurück, zumindest solange man ihn nicht maximal belastet. Nervig sind lediglich die Vibrationen sobald die Start-Stopp-Automatik an der Ampel den Motor ausknipst. Hier muss übrigens der Fuß auf der Bremse bleiben, denn der VW Polo kommt noch ohne elektrische Handbremse und kann im Stand maximal zwei Sekunden selbstständig stehen bleiben. Das Fahrwerk liegt in Sachen Härte eher auf der komfortablen Seite, wer will kann sich für 400€ aber das Sportfahrwerk inklusive Fahrmodi und elektronischer Differenzialsperre bestellen. Für den Alltagsbetrieb hat uns das serienmäßige Fahrwerk allerdings vollkommen gereicht.
Absolut ausreichend sind zudem die 110 PS und 200 Nm, die auf ein Leergewicht von gut 1200 Kilogramm treffen. In der Stadt, dem bevorzugten Terrain des Polo, sind wir damit flink unterwegs. Zumindest, wenn das relativ ausgeprägte Turboloch bis knapp 2000 Touren überwunden ist. Auch auf der Autobahn beschleunigt der Polo bis etwa Tempo 160 ausreichend schnell, darüber hinaus kämpft er sich eher zäh bis zur Höchstgeschwindigkeit von knapp 200 km/h. Wobei Autobahnfahrten mit Höchstgeschwindigkeit bauartbedingt nicht zur Paradedisziplin eines Kleinwagen zählen.
Das Platzangebot reicht für den Alltag
Für einen Kleinwagen bietet der Polo im Innenraum relativ großzügige Platzverhältnisse. Kein Wunder, schließlich erstreckt sich der Polo auf 4,07 Meter Außenlänge und übertrifft damit sogar eine Golf 3 (4,02 Meter). In der ersten Reihe reist es sich auch für Großgewachsene entsprechend komfortabel. In der zweiten Reihe werden auf längeren Strecken aber vor allem Kinder glücklich. Im Kofferraum (250 Liter) kommt der Wocheneinkauf gut unter, wer sich bei der Bestellung das Reververrad spart, kann dazu auch unter dem Ladeboden einiges verstauen. Der Subwoofer des mittelmäßigen Beats-Soundsystems (500€) ist hier – anders als beim Golf – nicht in der Reserveradmulde verbaut.
Hoher Verbrauch trotz Downsizing?
In Zeiten hoher Kraftstoffpreise liegt das Augenmerk aber natürlich auf dem Verbrauch. Hier konnte der Polo nur teilweise überzeugen. Während der Verbrauch auf gemütlichen Autobahnetappen mit 4,8 Litern auf 100 Kilometer noch in Ordnung geht, genehmigte sich der Polo in der Stadt zwischen sechs und sieben Liter Super auf 100 Kilometer. Kombiniert konnten wir den Verbrauch auf 5,8 Liter drücken. Ein gewisser Anteil geht sicherlich auf das verbaute Automatikgetriebe sowie die montierten Winterreifen zurück. Wer den Handschalter bestellt (derzeit nur in Kombination mit der 95 PS-Version) und entsprechend vorausschauend fährt, kann den Verbrauch sicherlich noch etwas reduzieren.
Und trotzdem wirkt die Entscheidung, zumindest optional kein Mild-Hybrid-System im Polo anzubieten nicht mehr ganz zeitgemäß. Die Konkurrenz in Form von Opel Corsa, Toyota Yaris, Ford Fiesta oder Peugeot 208 zeigt mit vollelektrischen oder Hybrid-Modellen was heute möglich ist. Eine zeitnahe Besserung ist beim Polo allerdings nicht in Sicht. Erst 2025 wird Volkswagen mit dem ID.Life alias ID.2 den vollelektrischen Polo-Nachfolger vorstellen.
Der Polo ist auch nach der Produktüberarbeitung ein gut verarbeiteter, etwas unspektakulärer Kleinwagen, der in Sachen Ausstattung auf Wunsch in der “Golf-Klasse” spielt. Dafür ruft Volkswagen allerdings mit guter Ausstattung einen stolzen Preis auf. Nicht mehr zeitgemäß wirkt die Motorenpalette, die ganz ohne elektrische Unterstützung auskommen muss.
Einen Testbericht zum Polo R-Line gibt es auch hier im Video: