Fahrberichte Volvo

Volvo EX90: Komfortabel mit Kinderkrankheiten

Mit über fünf Metern Länge spielt der Volvo EX90 in der Liga der großen SUVs und übertrifft in der Länge sogar einen BMW iX, Audi Q8 e-tron und Mercedes EQE SUV. Auch bei der Preisgestaltung – unser Testwagen kostet gut 114.000€ – gibt sich Volvo selbstbewusst. Doch kann der Volvo sein Premium-Versprechen auch im Alltag einlösen? In unserem Test über 2000 Kilometer fühlen wir dem EX90 auf den Zahn.


Zum Test stellt uns Volvo den EX90 in der Ausstattungslinie ‚Ultra‘ mit zwei Motoren und damit einer Leistung von bis zu 300 kW / 408 PS zur Verfügung. Doch auch wenn die Ausstattung ‚Ultra‘ heißt: Die Aufpreisliste hat trotzdem noch einen Wert von 10.000€, die insbesondere auf das Fahrassistenzpaket (2400€), das Luftfahrwerk (2700€) und das großartige Bowers & Wilkins Soundsystem (3050€) entfallen. Dazu erhalten die Allradversionen des EX90 im Vergleich zur „Basis“ (205 kW / 279 PS) einen etwas größeren Akku, der hier nutzbare 107 kWh Energie speichert. Damit sollte man mit dem SUV auch auf der Autobahn gut Strecke machen, doch dazu später mehr.

Innenraum: Typisch Volvo

Im Innenraum finden wir das typische Volvo-Interieur wieder. Der zentrale Bildschirm fällt mit 14,5“ mächtig aus und läuft mit Android Automotiv. Im Innenraum verzichtet Volvo dazu serienmäßig auf tierische Materialien, Sitze und Lenkrad sind mit dem Kunstleder ‚Nordico‘ bezogen. Da sieht für uns zwar optisch ansprechend aus, leider ist das Kunstleder aber wenig atmungsaktiv. Wir empfehlen dringend die Sitzlüftung mitzubestellen. Anders als im XC90 (Vorstellung im Video) gibt es im EX90 übrigens derzeit keine Echtleder-Option, statt ‚Nordico‘ bietet Volvo lediglich eine Woll-Option an. In Sachen Verarbeitung lässt Volvo bei unserem Testwagen allerdings nichts anbrennen, die schön hinterleuchteten Echtholzflächen sind absolut makellos verarbeitet und kleine Details wie die schwedische Flagge in der Metallleiste auf der Beifahrerseite zeugen von Premiumanspruch. Warum es auf der Fahrerseite nur noch zwei Fensterheber für die vier Fenster gibt, erschließt sich uns allerdings nicht. Hier spart Volvo am falschen Ende.

Weniger gut gelungen sind auch die elektrische Türentriegelung, die uns regelmäßig erst beim zweiten oder dritten Versuch aussteigen ließ und die Soft-Close-Automatik, welche insbesondere die hinteren Türen nicht zuverlässig zugezogen hat.

Das Cockpit des Volvo EX90 zeigt sich gewohnt reduziert und fein verarbeitet. Wir würden uns allerdings noch beleuchtete Lenkradtasten wünschen. Bildquelle: Volvo

Komfort statt Sport im Volvo EX90

Im Fahrbetrieb fällt zuerst das besonders niedrige Geräuschniveau auf. Da sich Volvo ein künstliches Fahrgeräusch im Innenraum zum Glück erspart, ist es hier bis Tempo 100 flüsterleise. Das optionale Luftfahrwerk gibt in Kombination mit den 22“-Felgen (960€) zwar kurze Stöße durchaus an die Fahrgäste weiter, passt aber insgesamt zum komfortablen Charakter des EX90. Auch auf kurvigen Landstraßen gibt der große Volvo am liebsten den entspannten Ausflugsdampfer und neigt sich in Kurven deutlich. Interessant ist zudem, dass Volvo dem SUV eine Art „Turboloch“ ins Beschleunigungspedal programmiert hat. Wer das Pedal voll durchtritt, muss einige Sekunden warten, bis der EX90 die Leistung nach und nach freigibt. Hintergrund ist, dass die Zuschaltung des zweiten Motors eine kurze Zeit dauert. Aktivieren wir im Menü den permanenten Allradantrieb, beschleunigt das SUV deutlich spontaner. Diese Funktion wird allerdings durch einen erhöhten Energiebedarf bezahlt.

Auf der Autobahn unterstützt der EX90 seinen Piloten auf Wunsch bei der aktiven Spurmittenführung samt Temporegelung und Spurwechsel. Zumindest dann, wenn dieser die 2400€-Option ‚Pilot Assist‘ gewählt hat. Das klappt je nach Tagesform vernünftig, aber nicht so zuverlässig wie bei der Konkurrenz. So schneidet der Volvo auf der Autobahn gelegentlich Kurven. Probleme machte in unserem Testwagen zudem die Verkehrszeichenerkennung. Diese schlägt innerorts auch einmal Tempo 100 vor, ignoriert dafür auf der Autobahn Matrix-Leuchtschilder vollständig. Der teilautomatische Parkassistent ist derzeit noch nicht verfügbar und soll laut Volvo per Update nachgeliefert werden.

Volvo EX90 Seitenansicht

Im Profil ähnelt unser ‘dune’-beiger EX90 stark dem Verbrenner-Bruder XC90. In der Auswölbung über der Windschutzscheibe sitzt übrigens ein LIDAR-Sensor, der in Zunkuft die Fahrerassistenz weiter verbessern soll.

Die Software bereitet noch Probleme

Allgemein hatte unser Testwagen mit einigen Kinderkrankheiten zu kämpfen. So funktionierte die Schlüsselerkennung nur leidlich und das Infotainment ließ sich nach Fehlern bei der Ladeanzeige und den Klangeinstellungen erst nach einem Reset wieder vollständig nutzen. Zudem würden wir uns für nächtliche Fahrten beleuchtete Lenkradtasten wünschen.

In Sachen Verbrauch schlägt sich der EX90 in Anbracht der Ausmaße und des Gewichts (2750kg) dagegen ordentlich. Innerorts konnten wir Verbräuche von 17 kWh / 100 Kilometer erzielen, was eine rechnerische Reichweite von über 600 Kilometern bedeutet. Auf der Autobahn hat der elektrische Volvo dann natürlich mit dem Luftwiderstand zu kämpfen. Bei Tempo 130 genehmigte sich der EX90 etwa 26 kWh / 100 km. Die rechnerische Reichweite liegt damit bei etwa 400 Kilometern. Nutzt man den Akku im Bereich von 10 bis 80%, schafft der Volvo immerhin noch knapp 280 Kilometer zwischen zwei Ladestopps.

Volvo EX90 Heckansicht

Im Gegensatz zum XC90 wirkt der EX90 deutlich moderner, gleichzeitig bleibt das Design zeitlos modern.

Da der EX90 allerdings – im Gegensatz zum neueren ES90 – noch auf einen Akku mit 400 Volt Spannung setzt, dauert das Aufladen von 10 auf 80% etwa 30 Minuten. Das kann die 800V-Konkurrenz in Form eines Porsche Macan oder Mercedes CLA mittlerweile schneller. Die maximale Ladeleistung von 250 kW erreicht Volvo EX90 zudem nur an ausgewählten Ladesäulen. Möglich ist das beispielsweise an 400 kW-Säulen von Alpitronic sowie an manchen Tesla-Superchargern. Der Grund dafür ist, dass die meisten Schnellladesäulen auf eine Stromstärke von maximal 500 Ampere bei einer Spannung von 400 Volt ausgelegt sind, was in einer maximalen Ladeleistung (bei 400 V) von 200 kW resultiert. Dieser erreichte der EX90 bei uns im Test allerdings mehrmals problemlos. Wünschenswert wäre außerdem die Option auf 22 kW-AC-Laden, denn mit dem verbauten 11-kW-Wandler benötigt das SUV etwa 10 Stunden zum vollständigen Aufladen.

Volvo EX90: Fazit

Beim ersten Fahrzeug auf der neuen SPA 2-Plattform überzeugt Volvo vor allem in Sachen Geräuschkomfort und Innenraumverarbeitung. In Sachen Software (z.B. Schlüsselerkennung, Systemstabilität, Fahrerassistenz) und Elektrik (Soft-Close-Türen, unbeleuchtete Lenkradtasten) muss Volvo noch nacharbeiten. Vielleicht erreicht der EX90 nach dem vermutlich demnächst anstehenden Update auf die 800V-Architektur des ES90 die Qualität, die einen Listenpreis von 114.000€ rechtfertigt.

Hier gibt es die Konfiguration unseres Testwagens als PDF.

Technische Daten Volvo EX90 ‘Twin Motor’:

Volvo EX90 'Twin Motor'
Länge x Breite x Höhe5,04m x 1,96m x 1,74m
Kofferraumvolumen690L + 46L (Frunk)
Leergewicht (DIN)2750kg
Akkukapazität107kWh (netto)
Spitzenleistung300kW / 408PS
Drehmoment770Nm
Höchstgeschwindigkeit180km/h (elektronisch begrenzt)
Beschleunigung 0-100km/h5,9s
Maximale Ladeleistung (DC)250kW
Maximale Ladeleistung (AC)11kW
Ladezeit (DC, 10%-80%)30Min
Verbrauch WLTP / Test21kWh/100km / 24kWh/100km
Preis Basis / Testwagen102.300€ / 114.380€

Über den Autor

Jonas Braunersreuther

Autor Jonas Braunersreuther interessiert sich von Kindesbeinen an für sportliche Autos und Zweiräder sowie neue Entwicklungen auf dem Automobilmarkt.

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