Fahrberichte Volvo

Volvo C40 Recharge im Test: nur ein besserer Polestar 2?

2017 hat Volvo die Submarke ‚Polestar‘ zur eigenen Marke erhoben, mit dem Ziel teil- und vollelektrische Fahrzeuge zu entwickeln. Nach dem Prestigeprojekt ‚Polestar 1‘ brachte Polestar 2020 das erste Volumenmodell ‚Polestar 2‘ auf den Markt, ein SUV-Coupe (hier unser Fahrbericht). Von dieser Entwicklung profitiert nun auch Volvo, die auf der Plattform des Polestar 2 nun den Volvo C40 Recharge auf den Markt gebracht haben. Aufgrund der gleichen technischen Basis lesen sich auch die technischen Daten praktisch identisch. Wir fahren die Variante mit je einem Elektromotor pro Achse, die zusammen 408 PS (300 kW) und 660 Nm Drehmoment liefern. Die Energie beziehen die Motoren aus einem Akku mit netto 75 kWh Energieinhalt (brutto 78 kWh). Das entspricht dem Polestar 2 als ‚Long Range Dual Motor‘.

C40 vs. Polestar 2 – Technische Zwillinge, andere Auslegung

Trotz der gleichen Leistungsdaten richtet sich der Volvo C40 allerdings an eine andere Kundschaft. Während der Polestar 2 dezidiert sportlich(er) orientierte Fahrer adressiert, soll der C40 die eher konservative Kundschaft abholen. Dazu setzt der C40 auf ein klassisches Volvo-Design mit LED-Tagfahrlicht mit „Thors-Hammer“ und geschwungenen Rückleuchten.

Volvo C40 Recharge Cockpit

Für die wichtigsten Funktionen wie Lautstärkeregelung oder Heckscheibenheizung gibt es im Knopf-reduzierten Cockpit noch einen Drehknopf und Tasten, die meisten Funktionen wie Sitzheizung oder Temperaturregelung werden mittlerweile über das große zentrale Display gesteuert. Die Ambientebeleuchtung realisisiert Volvo durch hinterleuchtete Kunststoffelemente (u.a. auf der Beifahrerseite), die nachts leicht an Camouflage-Optik erinnert.

Im Innenraum folgt Volvo allerdings dem aktuellen Trend der Nachhaltigkeit, sodass sich hier recycelte und tierfreie Materialien finden. Die Innenausstattung mit blauen Akzenten – passend zur Außenfarbe ‚Fjord Blue Metallic‘ – in unserem Testwagen würden wir dem Label „Geschmackssache“ versehen. Sonst folgt die Innenraum-Philosophie der aktuellen Volvo-Designlinie mit senkrecht stehendem Zentralbildschirm und wenig Knöpfen. Das Betriebssystem des Infotainmentsystems übernimmt Volvo von Polestar und setzt damit auf Android Automotive. Das klappt insgesamt ganz gut, insbesondere die Spotify-Integration macht in Kombination mit dem exzellenten Harman/Kardon-Soundsystem Spaß. Allerdings hält sich die Informationsdichte, z.B. aktueller Verbrauch (nur gemittelt über die letzten ca. 15 Sekunden) sowie die Individualisierbarkeit des Cockpits in Grenzen. Auch die aktuelle Ladeleistung an der AC-Säule wird nur etwas kryptisch mit Anzahl der Phasen sowie der Stromstärke, nicht aber mit der Ladeleistung in kW angegeben.

Ansonsten sitzt man, SUV-typisch weit oben und kann die Front gut überblicken. Nach hinten leidet die Übersichtlichkeit allerdings aufgrund der flach stehenden Heckscheibe und der breiten C-Säule deutlich. Auch die Kopffreiheit in Reihe zwei leidet etwas unter der ab der B-Säule abfallenden Hecklinie, allerdings bietet Volvo mit dem XC40 auch noch ein klassisches SUV an. Der Kofferraum bietet dagegen mit 413 Litern absolut ausreichenden Stauraum, der XC40 packt hier allerdings noch einmal gut 100 Liter drauf.

Trotz Frontmotor schafft Volvo Platz unter der Fronthaube. Hier lassen sich beispielsweise wassergeschützt die Ladekabel unterbringen. Top! Die in Wagenfarbe lackierte Fronverkleidung (ehemals Kühlergrill) wirkt für uns aber eher gewöhnungsbedürftig und lässt den C40 sehr brav aussehen.

Ladeplanung mit kleineren Schwächen

Auch die Ladeplanung bekommen andere Hersteller, insbesondere Mercedes-Benz, besser hin. Auf einer Reise nach Italien schlägt der C40 beispielsweise auf einer Strecke von 1100 Kilometern acht Ladestopps vor. Macht rechnerisch eine Pause alle 140 Kilometer. Wobei das Google-Navi auch nicht vorgibt bis zu welchem Ladestand geladen werden soll – lediglich die geschätzte Standzeit wird angegeben. Hier sollte Volvo auf jeden Fall noch nachbessern.

Auch die Ladegeschwindigkeit hat noch Luft nach oben. So lädt der C40 theoretisch mit bis zu 150 kW an DC-Ladesäulen (bei uns gemessen 142 kW) und bis zu 11 kW an AC-Ladesäulen. Zum Vergleich: Kia bietet im Kia EV6 bis zu 270 kW-Ladeleistung. Von 10 auf 80 Prozent lädt der Volvo an Schnellladesäulen in etwa 30 Minuten. An der AC-Ladesäule dauert das Vollladen dann etwa 8 Stunden. Die Option auf 22 kW-AC Ladeleistung bietet Volvo leider nicht an.

Bei der Ladeplanung ist noch Luft nach oben: Rechnerisch knapp alle 140 Kilometer möchte der C40 laden, ohne dabei den zu erreichenden Ladezustand vorzugeben. Auch der Ausschluss einzelner Ladestationen oder die Vorwahl, mit welchem Akkustand die Ladesäule erreicht werden soll, konnten wir im Google-Navi nicht entdecken.

Volvo C40: Mehr Gleiter als Sportwagen

Aber der der C40 hat natürlich auch gute Seiten. Ganz vorne: Das Fahren. Wie der Polestar 2 beschleunigt der C40 extrem kraftvoll und leise. Jedoch verkneift er sich die sehr straffe Fahrwerksabstimmung des Polestar 2 und federt stattdessen ausgewogen und relativ komfortabel. Typisch Volvo arbeitet die Lenkung allerdings ziemlich gefühlsarm, was im Alltag für die meisten Fahrzeugführer aber keine größere Rolle spielen dürfte.

Während wir beim Polestar 2 die Reichweite bei kühler Witterung mit realistisch etwa 280 Kilometern auf der Autobahn (Testbrauch 25-28 kWh / 100km) kritisiert haben, schlägt sich der C40 dank sommerlicher Temperaturen nun besser. Bei gemütlicher Fahrweise genehmigt sich der C40 bei uns im Test etwa 23 kWh / 100 km. In der Stadt genügten teilweise 20 kWh/100km, was die Reichweite auf bis zu 375 km erhöht. Natürlich gönnt sich der C40 aber bei flotter Fahrweise ähnlich viel Strom wie der Polestar 2. Verbräuche zwischen 28 und 30 kWh / 100 km lassen sich auch hier ohne große Anstrengung erreichen.

Volvo C40 Recharge Seitenansicht

Mit dem C40 und dessen abfallender Seitenlinie ab der B-Säule bedient Volvo die Kunden, welche den größeren Kofferraum des XC40 nicht benötigen und stattdessen mehr Wert auf ein extrovertiertes Design legen.

Kaufen war gestern

Bleibt abschließend natürlich noch die Frage nach dem Preis. Am liebsten würde Volvo den C40 für 779€/Monat vermieten, denn in Zeiten von Car-Sharing wirkt der Autokauf wohl zu altbacken für das moderne SUV-Coupé. Wer sich doch für einen Kauf entscheidet, kann den C40 ab gut 48.000€ (Single Motor, Core-Ausstattung) erwerben. Unser Testwagen (Twin Motor, Ultimate-Ausstattung) würde dagegen happige 68.000€ kosten. Ein vergleichbar ausgestatteter Audi Q4 Sportback etron50 lässt sich allerdings ohne große Probleme auf einen ähnlichen Preis (und darüber hinaus) treiben.

Über den Autor

Jonas Braunersreuther

Autor Jonas Braunersreuther interessiert sich von Kindesbeinen an für sportliche Autos und Zweiräder sowie neue Entwicklungen auf dem Automobilmarkt.

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