Vor 20 Jahren hat der Scénic die Fahrzeugklasse der Kompaktvans begründet. In der vierten Generation halten effiziente Motoren und zahlreiche Assistenzsysteme Einzug. Der Fokus des Scénic liegt immer noch auf der Alltags- und Familienfreundlichkeit. So kann man die Rückbank z.B. mittlerweile direkt über den Touchscreen umklappen. Im ersten Test: Der mittlere Diesel mit 130 PS und manueller 6-Gang Schaltung.
Am Exterieur haben sich die Designer stark an der Van-Studie R-Space orientiert. Vor allem wegen seiner sehr flachen Fensterlinie wirkt der Scénic extrem futuristisch und vertraut zugleich: Die von allen früheren Generationen bekannte, riesige Panoramafrontscheibe ist geblieben. Nicht viele klassische Familienvans schaffen es, trotz ihrer Bauform noch so cool zu wirken wie der Scénic. Dazu trägt auch eine geschickte Linienführung und die zweifarbige Lackierung bei, die die Dimensionen des Familienautos gut kaschieren.
Effizient schmale 20-Zöller serienmäßig
Einen großen Teil zum ansehnlichen Auftritt des Scénic tragen die überraschend groß dimensionierten 20-Zoll Felgen bei: Sie sind unglaublicher Weise schon in der niedrigsten Ausstattungsvariante “Life” serienmäßig an Bord (als Stahlfelge, in höheren Trimlines als Alulfengen). Die großen Räder machen den guten Look des Vans aus und können sogar noch individualisiert werden: Sogenannte “Add-ons” können an die Felgen geklipst werden und das Rad kann damit günstig und schnell an den eigenen Geschmack angepasst werden. Es handelt sich übrigens wie vom BMW i3 bekannt um sog. “Efficiency Wheels”, also sehr große Reifen mit einer entsprechend schmalen Lauffläche (195/55).
Die optionale Zweifarblackierung lässt den Scénic noch wesentlich spektakulärer wirken. Unser Testwagen kombiniert Honig-Gelb und Schwarz. Dach, Außenspiegel und A-Säulen gibt es neben Schwarz auch in Grau. Wirklich cool wird der Scénic mit dem LED-Tagfahrlicht, das optional geordert werden kann. Auch das LED-Band in den Heckscheinwerfern ist wie an der Front immer an, auch am Tag.
Probefahrt mit dem dCi 130 mit 130 PS und 6-Gang Schaltung
Der dCi 130 liefert, wie der Name schon sagt, 130 PS aus 1.6 Litern Hubraum. Er ist der zweitstärkste Selbstzünder im Scénic und vermutlich der optimale Motor sowohl für die Langstrecke als auch den Stadt-Alltag. In Immerhin 11,4 Sekunden beschleunigt er auf 100 km/h. Das ist im Verhältnis zum Gewicht des Kompaktvans (1.600 kg) ganz in Ordnung und man kommt immer schnell genug voran. Nur an stärkeren Steigungen auf Landstraßen muss man mal 1-2 Gänge zurückschalten. Die manuelle 6-Gang Schaltung ist dabei grundsolide abgestimmt und lässt sich angenehm schalten. Wie schon im Talisman ist aber das EDC, also ein Doppelkupplungsgetriebe mit je nach Motor 6 oder 7 Gängen, sehr zu empfehlen. Das gib es aber nicht im dCi 130, sondern unter den Dieseln nur im dCi 110 oder 160. (Fahrbericht Renault Talisman dCi 160 mit EDC) Auch beim kleinen Diesel mit nur 110 PS holen die 7-Gänge einfach mehr Dynamik raus als mit der manuellen Schaltung.
Das Fahrwerk des Scénic ist angenehm weich abgestimmt, wozu auch die Flankenhöhe (107mm) der 20-Zöller beiträgt. In Kurven neigt er sich in einen noch angenehmen Bereich und macht (z.B. eben mit dem beiden stärkeren Dieseln) Spaß auf der Landstraße. Ab der Ausstattung Intens ist das Multi Sense System verfügbar, über das verschiedene Fahrmodi gewählt werden können. Im Sport-Modus wird die Gasannahme deutlich spürbarer, im Comfortmodus startet z.B. die Sitzmassage (wenn gekauft) automatisch. Renault gibt den kombinierten Verbrauch mit 4,5 Litern Diesel an, was wir während der ersten Probefahrt aber nicht weiter überprüfen konnten.
Umklappen der Sitze per Touchscreen, variabler Mitteltunnel
Auch wenn auf motoreport.de meistens wenig davon zu lesen ist: Die Kofferraumvolumen sind oft der heiligste Messwert deutscher Autokäufer. Der Renault Scénic hat stolze 506 bis 1.554 Liter davon. Die Rückbanklehnen lassen sich per Fingertipp auf den Touchscreen (optional) im Boden versenken, sodass eine ebene Ladefläche entsteht. Die Rückbank besteht nun außerdem nicht mehr aus Einzelsitzen, sondern ist im Verhältnis 1/3 zu 2/3 angeordnet und serienmäßig auf Schienen montiert. Damit ist sie um 16 cm verschiebbar. Die Mitfahrer hinten oder Kinder freuen sich je nach Ausstattung über aufklappbare Tische am Vordersitz, USB-Ladebuchsen, ein großes Fach im Mitteltunnel unten oder Lüftungsdüsen links und rechts an den Türen, die besonders bei starker Hitze hilfreich sind. Besonders gelungen ist die um 26 Zentimeter variable Mittelarmlehne mit Staufach: Quasi der komplette Mitteltunnel ist verschiebbar. Entweder er schließt vorne am Instrumententräger an, oder er erinnert an der hinteren Position an die unkomfortableren Anfangszeiten zahlreicher Vans. In der hinteren Position ist der Stauraum auch den Fond-Passagieren leichter zugänglich. Mehr als nützlich im Alltag ist auch das kühlbare Handschuhfach, das Fahrer oder Beifahrer wie eine große Schublade entgegenfährt statt herunterzuklappen – und wir damit im Gegensatz zu quasi allen Konkurrenzmodellen auch wirklich vollständig nutzbar.
Fahrerassistenz: Notbremsassistent mit Radarsensor serienmäßig
Für die relativ humanen Preise des Scénic kann sich der Umfang des in allen Varianten serienmäßigen Notbremsassistenten sehen lassen: Der Notbremsassistent mit Fußgängererkennung ist von 7-60 km/h aktiv und bremst, wenn nötig, bis zum Stillstand. Auf der Autobahn hält das System sogar bis 160 km/h die Augen offen und schwächt dann einen eventuellen Aufprall ab. Im Gegensatz zum benachbarten Renault Kadjar ist im neuen Scénic der Spurhalteassistent nun aktiv, d.h. wenn man die Spur verlassen zu droht greift er mit Lenkeingriffen ein. Der Zeitpunkt des Lenkeingriffs kann in drei Stufen festgelegt werden.
Die adaptive Geschwindigkeitsregelung (=”adaptiver Tempopilot”) ist bei Renault/Nissan überhaupt ein relativ neues Feature, das wir auch schon im Mégane und Talisman kurz vorgestellt haben. Aktive Bremseingriffe erfolgen relativ sanft und andere Fahrzeuge werden zuverlässig erkannt. Weniger gut ist, dass sich das System unterhalb von 50 km/h nach einer kurzen akustischen Warnung sehr schnell und abrupt abschaltet. Auch das Einstellen der Set-Geschwindigkeit ist aufgrund der eher unergonomischen Tasten am Lenkrad noch nicht optimal. Aktiv ist die adaptive Geschwindigkeitsregelung bis 160 km/h. Zudem sind weitere Assistenzsysteme wie eine Verkehrszeichenerkennung, ein Toter-Winkel-Warner, Müdigkeitswarner (analysiert Lenkbewegungen) und ein Fernlichtassistent verfügbar.
Der neue Scénic bietet vor allem in Anbetracht der fairen Einstiegspreise viel Design und jede Menge Technologie. So startet der von uns gefahrene, mittlere Diesel dCi 130 sogar schon in der momentan höchsten Bose Edition etwas mehr als 30.000 Euro. Dafür gibts neben dem effizienten Diesel mit 130 PS die 20-Zoll Räder mit Alufelgen, eine Sitzmassage und natürlich das Bose-Soundsystem, das eine Anschaffung wirklich wert ist. Außerdem sind nahezu alle Assistenz- und Komfort-Helfer an Bord. Der Notbremsassistent mit Fußgängererkennung über Kamera&Radartechnik ist sogar immer serienmäßig an Bord.
Renault Scénic dCi 130 Bose Edition
Leistung/Drehmoment: 96 kW (130 PS) / 320 Nm
Getriebe: 6-Gang Schaltung
Antrieb: Front
0-100 km/h: 11,4 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 194 km/h
Leergewicht: ab 1.615 kg
Verbrauch angegeben: 4,5 Liter / 100 Km (kombiniert)
Kofferraumvolumen: 506 L / 1.554 (umgeklappt)
Lackierung: Honig-Gelb
Einstiegspreis dCi 130 Bose Edition: 30.390 EUR
Testwagenpreis: 35.840 EUR
Text & Fotos: Matthias Luft