Ampler begann als spaßiges Nebenprojekt der drei Gründer Ardo, Hannes und Rait – einem professionellen Motocrossfahrer, einem Ingenieur und einem Fahrraddesigner – im Jahr 2014 in einer kleinen Garage in Estland. Nach erfolgreichem Crowdfunding im Jahr 2016 starteten die drei Gründer mit den ersten E-Bike Produktionen und seither bereichern die minimalistischen E-Bikes die urbane Pedelec-Szene. Im Frühjahr 2018 wurde die aktuelle Produktpalette mit den Modellen „Curt“, „Stout“ und „Stellar“ gelauncht. Wir hatten in den vergangen Wochen die Möglichkeit das Modell „Curt“ als Singlespeedvariante mit Riemenantrieb ausgiebig zu testen.
Da die Fahrräder von Ampler ausschließlich im Direktvertrieb vermarktet werden, bieten diese ein gutes Preis-Leistungsverhältnis. Mit UVPs von 2890 Euro für das Modell „Curt“ bzw. 2490 Euro für die Modelle „Stout“ und „Stellar“ sind die Ampler Bikes sicherlich kein Schnäppchen, auf dem E-Bike Markt jedoch immer noch im unteren Preisdrittel anzusiedeln. Zudem spricht das junge baltische Unternehmen nicht die klassische E-Bike Community an, welche an sommerlichen Wochenenden die Radwege überflutet, sondern möchte vor allem Großstadtpendlern eine sportliche Alternative zu den öffentlichen Verkehrsmitteln bieten. Vor allem während der aktuellen Corona-Zeit sicherlich ein willkommenes Angebot zu vollen U- und S-Bahnen oder Bussen.
Lieferung und Montage
Das Testfahrrad wurde in einem ca. 1,85m x 1,20m x 0,30m großen Karton per Spedition geliefert. Bereits auf den ersten Blick sind auf der Außenseite des Fahrradkartons die Hinweise zum Öffnen und zur Erstmontage zu erkennen und verständlich beschrieben. Ampler hat sich hier viele Gedanken um das Thema „Direktvertrieb“ gemacht und eine einfache und intelligente Lösung gefunden, das Fahrrad soweit fahrfertig zu versenden, sodass kein handwerkliches Geschick nötig ist, um das Fahrrad innerhalb weniger Minuten auf die Straße zu bringen. Der Boden des Wellpappekartons ist so konzipiert, dass dieser bei der Erstmontage als Montageständer dienen kann. Um das „Curt“ fahrfertig zu montieren, sind lediglich die beiden Schrauben am Vorbau leicht zu lösen und im Anschluss kann der Lenker ausgerichtet werden. Anschließend ist das Lagerspiel des Steuersatzes noch zu justieren – hier gibt Ampler eine ¼-Umdrehung an – sowie die beiden Vorbauklemmschrauben handfest, aber gefühlvoll festzuziehen. Wir würden uns hier wie bei hochwertigen (Carbon-) Fahrrädern eine genaue Angabe des notwendigen Drehmomentes wünschen, aus Erfahrungen haben wir ein Drehmoment von 5Nm für die Vorbauklemmung gewählt. Danach sind noch die Pedale zu montieren. Hier ist wie bei allen Fahrradpedalen auf rechts und links zu achten, da sich die Gewinde der Pedale unterscheiden. Neben den im Lieferumfang enthaltenen Flat-Pedals mit stählernen Pins, lassen sich auch alle gängigen Klick-Pedalvarianten montieren, um das Fahrrad noch sportlicher zu bewegen. Alle notwendigen Werkzeuge sind im Lieferumfang enthalten und in einer sehr schönen Holzschatulle verpackt, welche auch im heimischen Bücherregal einen guten Eindruck hinterlässt.
Nachdem alle mechanischen Arbeiten erledigt sind, sollte der Akku vor der ersten Testfahrt vollständig aufgeladen werden, was in unserem Fall ca. 2h gedauert hat. Die magnetische Rosenberger-Ladebuchse befindet sich hierfür an der linken Seite des Sitzrohres. Wer möchte, kann das Fahrrad jetzt noch mit der Ampler-App auf seinem Smartphone verbinden. In der App können verschiedene Einstellungen vorgenommen werden oder man kann sich Metriken wie Geschwindigkeit, Distanz, Akkuladestand, etc. anzeigen lassen. Wer auf eine Kopplung des Fahrrades mit dem Smartphone verzichten möchte, der kann diverse Einstellungen zu den verschiedenen Unterstützungsmodi auch direkt am Fahrrad vornehmen.
Akkuladestand und Unterstützungsmodi
Sowohl der Ladezustand des Akkus, als auch die zwei verschiedenen Unterstützungsmodi lassen sich bequem per App anzeigen und auswählen, können aber auch direkt am Fahrrad verstellt werden. Der Taster zum Einschalten des Ampler Bikes befindet sich direkt über der Ladebuchse. Durch einfaches Drücken des Tasters schaltet sich das Fahrrad ein. Die in den Taster integrierte LED zeigt anschließend den aktuellen Ladezustand des Akkus in vier verschiedenen Levels an.
100% – 75% | Grün |
75% – 50% | Übergang von Grün zu Gelb |
50% – 10% | Übergang von Gelb zu Rot |
unter 10% | Rot, blinkend |
Nach dem Einschalten des Fahrrades kann durch eine weitere Betätigung des Tasters der Unterstützungsmodus ausgewählt werden. Neben dem Modus „Normal“ (25 km/h, 250 W, 100% Unterstützung), verfügt das Fahrrad über den Modus „Boost“ (25 km/h, 250 W, 150% Unterstützung). Mit einem längeren Druck des Tasters kann zudem das Licht ein bzw. ausgeschaltet und mit einem deutlich längeren Druck kann das gesamte System deaktiviert werden. Der vorher verwendete Unterstützungsmodus wird dabei beibehalten und ist somit beim nächsten Einschalten voreingestellt. Natürlich kann das Rad auch komplett ohne elektrische Unterstützung und mit reiner Muskelkraft gefahren werden. Mit 13,4kg bewegt sich das Ampler „Curt“ im Gewichtsbereich eines Mittelklasse Hardtail-Mountainbikes.
Ausstattung
Das Ampler „Curt“ verfügt über einen Hecknabenmotor mit Getriebe, wodurch die Baugröße gering gehalten wurde und der Motor unauffällig im Gesamtbild des Fahrrad verschwindet. Der Hecknabenmotor ähnelt nämlich einer Getriebenabe eines normalen Trekkingfahrrades, sodass das „Curt“ auf den ersten Blick nicht als E-Bike zu erkennen ist. Da sich unsere persönliche Erfahrung im E-Bike Sektor sehr in Grenzen hält, können wir keine negativen Erfahrungen im Vergleich zu den klassischen E-Bikes mit Bosch-Mittelmotoren feststellen. Eingefleischte E-Bike Fans und E-Bike-Vielfahrer mögen hier in diversen Internet-Foren anderer Meinung sein, jedoch sind diese Anwender auch nicht die primäre Zielgruppe der Firma Ampler. Die Sensorik des Antriebs ist sehr reaktionsschnell und sensibel. Der Antrieb reagiert sofort und kraftvoll auf den Pedaldruck, bleibt aber trotzdem gut kontrollierbar. Uns als E-Bike Anfänger haben die Fahreigenschaften überzeugt und das Ansprechverhalten des „Curt“ hat uns sehr zugesagt.
Wir hatten die 13,4kg leichte Singlespeed-Variante des „Curt“ im Test, welche über einen wartungsarmen Riemenantrieb verfügt. Neben dem geringen Serviceaufwand überzeugte uns vor allem die Sauberkeit des Antriebes, da kein Kettenöl notwendig ist – welches schnell mal die Hosenbeine verschmutzen kann. Als Alternative ist das „Curt“ jedoch auch mit einer 1×11-fach Shimano Deore Schaltung konfigurierbar. Sowohl der Preis, als auch alle weiteren Anbauteile bleiben bei den beiden Modellvarianten unverändert. Je nach Einsatzzweck sollte hier jeder Kunde individuell zwischen dem wartungsarmen Singlespeed-Riemenantrieb oder den flexibleren 11-fach Schaltmodell wählen. Wir persönlich würden uns bei reinem Stadtverkehr für die Singlespeedvariante entscheiden, bei zusätzlichen (längeren) Überlandpendelfahrten oder welligem Terrain würden wir auf die Schaltvariante zurückgreifen.
Ampler liefert das „Curt“ mit den im Rennrad- und Gravel-Sektor sehr beliebten Conti GP 4Season in 32mm aus. Der (fast) unzerstörbare Allrounder von Conti mit hohem Pannenschutz und gutem Grip lässt für den Einsatzzweck, für welchen das „Curt“ konzipiert ist, keinen Wunsch offen und man kann auch mal die Abkürzung über den nicht asphaltierten Feldweg nehmen.
Zudem ist das Fahrrad mit hydraulischen Schreibenbremsen der Shimano-Deore-Schaltgruppe ausgestattet, welche eine gute Dosierung zulassen, im Notfall aber auch für ein unverzügliches Anhalten sorgen. Das „Curt“ verfügt über helle StVZO zertifizierte Vorder- und Rückleuchten, sodass man immer gut sichtbar ist und sich keine Sorgen machen muss, die Lichter Zuhause zu vergessen. Das Rücklicht ist zudem dezent in die Sattelstütze integriert, was einen sehr modernen Eindruck hinterlässt.
Was am „Curt“ fehlt, sind Gepäckträger, Klingel und Seitenständer. Hier haben die Produktdesigner von Ampler alles dem sportlichen Charakter untergeordnet am an Gewicht gespart. Die fehlende Klingel ist unser größter Kritikpunkt am Fahrrad, da dies unserer Meinung nach ein elementares Sicherheitsfeature ist und es hier sicherlich Lösungen gibt, diese formschön im Fahrrad zu integrieren. Zum niedrigen Gewicht trägt, neben der steifen und leichten Carbongabel, auch der mit 336-Wh „kleine“ im Unterrohr fest verbaute Lithium-Ionen-Akku bei. Die für ein E-Bike geringe Kapazität bedeutet weniger Akkuzellen und damit auch weniger Gewicht. Trotzdem ist die Reichweite für den gedachten Anwendungszweck mehr als ausreichend. Wir konnten mit einer Akkuladung bei ständigem Wechsel der Unterstützungsmodi knapp 70km zurücklegen.
Fahreindruck
Als begeisterter Rennradfahrer fällt beim ersten Probesitzen sofort die sehr sportliche Sitzposition auf, welche an die Rahmengeometrie eines Endurance-Rennrades erinnert. Die Sattelüberhöhung sorgt für eine eher gebeugte Sitzposition, sodass die Hände viel Gewicht am Lenker abfangen müssen. Der gerade Lenker ist mit dünnen Schaumstoffgriffen ausgestattet, welche eine sehr angenehme Dämpfung und gutem Grip auch ohne Fahrradhandschuhe bieten. Die Lenkerbreite ist mit 60cm für diese Art von Fahrrad sehr gut gewählt und bietet einen guten Kompromiss zwischen sportlicher Sitzposition und stabilem Bikehandling.
Bereits auf den ersten Metern wird klar, dass man hier auf einem sportlichen Fahrrad mit Unterstützung unterwegs ist. Die 32mm Conti GP 4Season bieten bei einem Luftdruck von ca. 4bar eine angenehme Dämpfung, welche von der Carbongabel verstärkt wird. Natürlich ist der Komfort nicht mit einem Fully-MTB zu vergleichen, dies sollte aber jedem Kaufinteressenten beim ersten Anblick des Fahrrades bewusst sein. Wir würden den Fahrkomfort mit unserem Gravelbike (Canyon Grail) auf eine Stufe stellen. Der gerade Lenker ermöglicht auch schnelle, präzise Richtungswechsel für den Fall, dass man einem Schlagloch ausweichen möchte oder ein Autofahrer unvermittelt die Tür aufreißt und man zu einem Ausweichmanöver gezwungen wird. Die Steckachse an der Carbongabel sorgt zudem für viel Stabilität, was gerade auch beim Bremsen sehr angenehm ist.
Fazit
Das Ampler „Curt“ ist das perfekte E-Bike für den urbanen Pendler, welcher nicht bereits auf den ersten Blick als E-Bikefahrer erkannt werden möchte. Dank der Wahlmöglichkeit zwischen Singlespeed Riemenantrieb oder klassischen 1×11-fach Kettenschaltung lässt sich das Fahrrad an die persönlichen Bedürfnisse anpassen und 70km Reichweite sind sowohl für den Weg ins Büro, als auch für kurze Besorgungsfahrten vollkommen ausreichend. Ampler spricht mit dem getesteten Modell „Curt“ als auch mit den beiden Modellen „Stout“ und „Stellar“ nicht die klassische E-Bike-Generation an, sondern ist durch die sportliche Geometrie und dem eleganten Design auch für die Generation Z attraktiv. Der UVP von 2890€ ist kein Schnäppchen, im E-Bike Vergleich aber trotzdem sehr preiswert. Obwohl wir persönlich lieber aus eigener Muskelkraft unterwegs sind, haben uns die Testfahrten mit dem Ampler „Curt“ viel Spaß gemacht und wir sind gespannt, welche neuen Produkte aus der estnischen Fahrradschmiede in Zukunft noch gelaunched werden.