Im März 2023 lief Volkswagen Sturm gegen die EU-Kommision: Die Grenzwerte der neuen Euro 7-Abgasnorm seien zu streng. Die Folge wäre ein Ende von Kleinwagen wie dem Polo ab 2025, da sich diese aufgrund höherer Produktionskosten nicht mehr rentabel vertreiben ließen. Nun, ein Jahr später, steht fest: Die Abgaswerte der Euro 7-Norm werden kaum verschärft – und das ist aus Kleinwagensicht gut. Denn: Bei uns auf dem Hof steht der frisch geliftete Renault Clio der fünften Generation, also genau ein solcher Kleinwagen.
Renault Clio: Erster Eindruck
Unser ‚iron-blauer‘ (750€) Clio sieht im Stand ziemlich sportlich aus. Da wären zum einen die großen 17“-Felgen mit blauem Akzenten, Zierelemente in ‚Ice Black‘ und natürlich die progressive Front mit auffälligem Tagfahrlicht. Das soll übrigens gespiegelt die Hälften des rautenförmigen Renault-Logos zitieren und in Zukunft weitere Renault-Modelle zieren. Uns gefällt’s ziemlich gut, vor allem in Kombination mit der anthrazitfarbenen Y-förmigen Zierspange. Die gibt es allerdings nur in der bei uns vorgestellten Top-Ausstattungsline ‚Esprit Alpine‘. Die mittlere Line ‚Techno‘ darf das Element aber immerhin in Wagenfarbe tragen. Im Alltagsbrei aus Polo und Corsa sticht der Clio also auf jeden Fall hervor.
Auch im Interieur zeigen sich die Alpine-Sportanleihen. Die Vordersitze bieten hier angenehm viel Seitenhalt, ohne unbequem zu sein, blaue Akzente sorgen für einen gehobenen optischen Eindruck. Auch die Materialqualität geht in Bezug auf die Fahrzeugklasse in Ordnung, Armauflagen sind unterschäumt, die Verarbeitung ist ordentlich. Nur die glänzenden schwarzen Elemente in der Mittelkonsole ziehen Fingerabdrücke magisch an. Zudem fällt die Ambientebeleuchtung in Bezug auf Farbwahl (8 Farben) und Ausdehnung (nur rund um den Gangwahlhebel) recht spartanisch aus.
Da wir wie beschrieben die höchste Ausstattungslinie fahren, fällt unser Blick hinter dem Lenkrad auf ein 10“-Cockpitdisplay (Serie: 8“), die Bedienung erfolgt über ein 9,2“-Display in der Mittelkonsole. Das klappt im Test auch recht vernünftig, zumal die Klimasteuerung noch immer intuitiv mit Drehknöpfen erfolgt.
Aufwändige Antriebskonstruktion
Eine Besonderheit im Vergleich zu „klassischen“ Verbrennern gibt es dann aber doch. Da unter der Motorhaube unseres Testwagens der Vollhybrid-Antriebsstrang verbaut ist, fehlt ein klassischer Drehzahlmesser. Stattdessen wandert die digitale Drehzahlnadel über die Bereiche ‚Eco‘ und ‚Power‘. Ein Drehzahlmesser würde die meisten Fahrer des Clio aber vermutlich auch irritieren, denn als Getriebe kommt die Multi-Mode-Konstruktion von Renault zum Einsatz. Diese verfügt über vier Gänge für den 1,6 Liter Saugbenziner (94 PS) und zwei Gänge für den ins Getriebe integrierten E-Motor (49 PS). Das ziemlich komplizierte Konstrukt ermöglicht 14 verschiedene Getriebekombinationen, einschließlich E-Modus und parallelem sowie seriellem Hybrid-Betrieb. Zusätzlich spendiert Renault noch einen zweiten E-Motor (20 PS) als Startergenerator. Auf dem Papier leistet das System 145 PS und 205 Nm Drehmoment, was zum sportlichen Auftritt passen sollte.
Renault Clio: Fahreindruck
Ganz so sportlich wie das Datenblatt vermuten lässt fährt der Voll-Hybrid dann allerdings nicht. Im Alltagsbetrieb durch die Stadt und die gemütliche Runde über Landstraße und Autobahn kann der Antriebsstrang aber durchaus überzeugen. Ruckfreie Schaltvorgänge, hoher Elektroanteil im Stadtverkehr und niedriger Verbrauch sorgen für eine entspannte Fahrt. Im Stadtverkehr konnten wir Verbräuche unter fünf Liter auf 100 Kilometer erzielen, im Gesamttestraum etwa sechs Liter auf 100 Kilometer.
Anders sieht die Sache allerdings bei hoher Last aus. Ist der 1,2 kWh-Akku bei zügiger Autobahnfahrt entleert, beschleunigt der Clio nur noch zäh. Die Höchstgeschwindigkeit von 174 km/h erreicht der Testwagen dann nur noch mit Mühe und viel Anlauf. Nervig ist zudem die lange Schaltpause bei etwa Tempo 125 unter Last, die wir ähnlich ausgeprägt auch schon beim Renault Austral (Testbericht) mit vergleichbarem Antrieb diagnostiziert haben.
Und wenn wir schon beim Kritisieren sind: Warum der Autobahn- und Stauassistent mit aktiver Spurmittenführung nicht verbaut werden kann, wenn wir im Konfigurator das Winterpaket mit Sitz- und Lenkradheizung wählen, weiß wohl nur Renault. Eventuell liegt ein Konflikt von Lenkradheizung und Handerkennung am Lenkrad vor.
Aber zurück zu erfreulicheren Themen: Das Fahrwerk des Renault Clio ist erwachsen abgestimmt, mit einem guten Kompromiss aus Komfort und Sport, das gleiche gilt für die Lenkung. Im städtischen Umfeld erfreuen wir uns zudem an der guten 360°-Kamera samt teilautonomem Parkassistenten. Das Kamerasystem ist auch deswegen eine sinnvolle Investition, da die Sicht nach hinten durch die breite C-Säule beschränkt ist.
Auch die Platzverhältnisse gehen, vor allem in der ersten Reihe, in Ordnung. Im Kofferraum ist mit 301 Litern für den alltäglichen Gebrauch vernünftig dimensioniert, auch wenn eine hohe Ladekante den Komfort ein wenig einschränkt.
Fazit & Preis
Mit dem Facelift des Clio unterbreitet Renault ein attraktives Angebot jenseits der üblichen Platzhirsche Polo und Corsa. Preislich startet der Clio aktuell bei 19.650€. Der Listenpreis unseres beinahe voll ausgestatteten Testwagens beläuft sich dagegen, insbesondere aufgrund des teuren Antriebsstrangs (+4750€), auf 28.550€.
Hier gibt es wie gewohnt unsere Testwagenkonfiguration wie gewohnt als PDF.
Technische Daten Renault Clio ‘Esprit Alpine’ Voll-Hybrid:
Renault Clio 'Esprit Alpine' | Daten |
Motorbauart | R4-Saugbenziner + zwei E-Motoren |
Hubraum | 1598ccm |
Getriebe | Multi-Mode-Getriebe |
Leistung bei Drehzahl | 105kW / 143PS bei 5600 1/min |
Drehmoment bei Drehzahl | 148Nm bei 3200 1/min // 205Nm mit E-Unterstützung |
Beschleunigung 0-100km/h | 9,3s |
Höchstgeschwindigkeit | 174km/h |
Antriebsachse | Vorderachse |
Abmessungen (Länge x Breite x Höhe) | 4,05m x 1,80m x 1,44m |
Leergewicht mir Fahrer | 1273kg |
Kofferraumvolumen | 301L |
Verbrauch (Hersteller / Test) | 4,3L / ca. 5,5L/100km |
Preis (Basis / Testwagen) | 26.800€ / 28.550€ |