Mit dem ‚4‘ setzt Polestar seine Modelloffensive fort und schickt nun kurz nach dem Polestar 3 (Fahrbericht) das zweite neue Modell zu den Kunden. Anders als die Namensgebung vermuten lässt, übertrifft der Polestar 4 den Polestar 3 allerdings nicht bei den Abmessungen. Stattdessen benennt der Hersteller seine Modelle etwas unkonventionell in der Reihenfolge der Vorstellung. So überragt der Polestar 4 mit den Maßen (4,84m x 2,01m x 1,54m) zwar den Polestar 2 (4,61m) um 23 cm, bleibt damit aber um 9 cm hinter dem Polestar 3 zurück.
Optisch ähnelt der Polestar 4 mit der abfallenden Dachlinie eher dem ‚2‘ (Fahrbericht im Video), der Hersteller spricht hier von der Kombination aus Coupé und SUV. Damit auch die Fahrgäste auf der Rücksitzbank trotz Coupé-Linie genügend Kopffreiheit haben bedient sich Polestar eines Designkniffs. So zieht sich das serienmäßige Panoramaglasdach besonders weit Richtung Fahrzeugheck, dafür entfällt das Heckfenster. Für Durchblick hinter das Fahrzeug sorgt stattdessen ein Rückspiegel mit integriertem Display, wie wir das auch schon vom VW Transporter oder der Mercedes V-Klasse kennen.
Polestar 4: Schicker Innenraum im bekannten Design
Passend zum extrovertierten Karosseriedesign gibt es im auch im Innenraum einige nette Spielereien. Angelehnt an den Markennamen ‚Polestar‘ (Polarstern) lässt sich das Ambientelicht in den Farben der verschiedenen Farben des Sonnensystems konfigurieren. Die optional von hinten beleuchteten Türarmaturen sollen dazu an Sterne erinnern. Ansonsten folgt das Innenraumdesign der typischen Polestar-Linie. Die Verarbeitung bewegt sich, genau wie die Materialwahl, auf hohem Niveau. Die Bedienung des Fahrzeugs erfolgt fast vollständig über das 14,5“ Display in der Mittelkonsole, das hier allerdings, anders als im Polestar 3, waagrecht ausgeführt ist. Als Betriebssystem kommt, wie bei allen Polestar-Modellen, Android Automotive zum Einsatz. Die Bedienung geht uns nach einer kurzen Eingewöhnungszeit flüssig von der Hand. Hilfreich ist hier auch der Split-Screen-Modus, der in der linken Bildschirmhälfte die Karte und in der rechten Bildschirmhälfte verschiedene Fahrzeugfunktionen anzeigt.
Kritik üben wir lediglich an den serienmäßigen Sitzbezügen aus recyceltem Kunststoff. Der passt zwar zur nachhaltigen Strategie des Herstellers, bei sommerlichen Temperaturen schwitzen wir allerdings schnell. Abhilfe sollte hier der Griff zum Nappaleder inklusive Sitzlüftung schaffen.
Chinesische Plattform und großer Akku
Für die Ausfahrt steht uns die „Basismotorisierung“ zur Verfügung. Der Begriff ‚Basis‘ täuscht beim Polestar 4 allerdings, denn unser Testwagen leistet stramme 200kW / 272 PS und immerhin 343 Nm. Zudem wird im Polestar 4 aktuell immer eine netto 94 kWh große Batterie verbaut. So gelingt der Sprint auf Tempo 100 in zügigen 7,1 Sekunden. Für besonders sportliche Ambitionen verbaut Polestar den gleichen Motor auf Wunsch auch zusätzlich an der Vorderachse, die Systemleistung steigt damit auf 400 kW / 544 PS. Nach unserer Erfahrung ist die von uns gefahrene ‚Long Range Single Motor‘ getaufte Variante allerdings absolut ausreichend motorisiert. Die technische Basis stammt beim Polestar 4 übrigens vom Mutterkonzern Geely und kommt in ähnlicher Form auch in Smart #1 und #3 zum Einsatz.
Komfort vor Sport im “Basis”-Polestar 4
Während der Fahrt spüren wir von der chinesischen Plattform im gemütliche Alltagsbetrieb allerdings wenig. Lediglich die Lenkung dürfte noch etwas mehr Rückmeldung bieten. Einen großen Sprung macht Polestar allerdings beim optionalen Pilot-Assist. Während sich bisherige Volvo- und Polestar-Derivate beim Thema aktives Lenken im Konkurrenzumfeld eher im Mittelfeld bewegten, brilliert der Polestar 4 in dieser Disziplin. Auf Landstraßen folgt der ‚4‘ auch in engeren Kurven dem Asphaltband sehr zuverlässig und mit extrem starkem Lenkeinschlag.
Abstriche muss der Basis-Polestar 4-Fahrer dagegen bei sportlicherer Fahrweise hinnehmen. Bei unserer Testfahrt im bayerischen Alpenvorland zeigte der Testwagen beim Bremsen in die Kurve eine deutliche Tendenz mit dem kurvenäußeren Vorderrad weit einzufedern. Hier scheinen sich die Entwickler bei der Fahrwerksabstimmung mehr auf den Komfort denn auf eine sportliche Abstimmung konzentriert zu haben. Angemerkt werden muss allerdings, dass wir – wie oben beschrieben – die Basisversion mit passivem Dämpfersystem fahren. Wer zur Dual-Motor-Version greift, erhält laut Polestar ein geändertes Fahrwerk mit aktiver Dämpferregelung.
Verbrauch & Preis
Also lassen wir es auf unserer Testfahrt lieber ruhig angehen und genießen stattdessen abwechselnd das geringe Geräuschniveau im Innenraum und den tollen Klang des optionalen Harman-Kardon-Soundsystems. Belohnt werden wir für diese Fahrweise mit einem überraschend niedrigen Verbrauch. Nach unserer Fahrt, die uns hauptsächlich über Landstraßen geführt hat, vermeldet der Bordcomputer nach 130 Kilometern einen Energieumsatz von 16,3 kWh auf 100km (ohne Ladeverluste). Rein rechnerisch kommen wir mit einer vollen Akkufüllung also etwa 575 Kilometer weit. Wie bei den meisten Elektroautos üblich ist der Anschaffungspreis für den Polestar 4 nicht günstig. Mit Blick auf den großen Akku, die starke Basismotorisierung und die tolle Verarbeitung ist der Preis aber durchaus gerechtfertigt. Der Polestar 4 lässt sich derzeit ab 57.900€ bestellen. Unser Testwagen kostet mit einigen Extras 66.900€.
Unsere Testwagenkonfiguration gibt es hier als PDF.
Technische Daten Polestar 4 ‘Long Range Single Motor’:
Länge x Breite x Höhe | 4,84m x 2,01m x 1,53m |
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Kofferraumvolumen | 526L + ca. 30L Frunk |
Leergewicht (DIN) | 2230kg |
Spitzenleistung | 200kW / 272PS |
Drehmoment | 343Nm |
Höchstgeschwindigkeit | 200km/h (elektronisch begrenzt) |
Beschleunigung 0-100km/h | 7,1s |
Maximale Ladeleistung (DC) | 200kW |
Maximale Ladeleistung (AC) | 11kW / optional 22kW |
Ladezeit (DC, 10%-80%) | 30 Minuten |
Verbrauch WLTP / Test | 17,8-18.1kWh/100km / 16,3kWh/100km |
Zulässige Anhängelast | 1500kg |
Preis Basis / Testwagen | 57.900 / 66.900€ |