Seit mehreren Jahren bietet Polestar nur ein Modell zum Verkauf an, den Polestar 2 (Testbericht auf YouTube), der seit 2020 zum Verkauf steht und seitdem immer wieder optimiert wurde. Nun endlich startet die chinesisch-schwedische Marke eine Modelloffensive und bringt zeitgleich den Polestar 3 und Polestar 4 zu den Kunden. Wir haben die Möglichkeit eine Testfahrt mit dem SUV-Flaggschiff Polestar 3 zu unternehmen.
Polestar 3: Ausladend und kräftig motorisiert
Der Polestar 3 erstreckt sich auf eine Länge von 4,90m und eine Breite von 1,97m. Die Höhe von 1,61 Meter ist dagegen relativ gering für ein SUV. Mit den genannten Abmessungen tritt der Polestar gegen BMW iX (4,95m x 1,97m x 1,70m), Audi Q8 e-tron (4,91m x 1,93m x 1,62m) und Mercedes-Benz EQE SUV (4,84m x 1,93m x 1,68m) an. Damit das über 2,5 Tonnen SUV ordentlich Strecke ohne Ladestop machen kann, verbaut der Hersteller derzeit immer eine netto 107 kWh große Batterie im Unterboden. Dieser versorgt je nach Variante entweder einen oder zwei Motoren mit Energie. Die Leistungspalette reicht entsprechend von 220kW/299 PS bis 380kW /517PS.
Für unsere Testfahrt steht uns die absolute Topversion mit zwei Motoren samt Performance-Paket zur Verfügung. Die zwei Motoren mit bis zu 380kW / 517 PS und 910 Nm wuchten den Polestar 3 in 4,7 Sekunden auf Tempo 100, möglich ist eine Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h. Unter uns und vorab: Klar, sind die Fahrdaten beeindruckend, wir würden uns aber trotzdem für die „Einstiegsversion“ mit „ausreichenden“ 220kW / 299 PS entscheiden und dafür eine höhere Reichweite erzielen.
Feiner Innenraum im Polestar
Da der Polestar 3 auf der technischen Plattform SPA2 des Konzernbruders Volvo EX90 steht, geht es im Innenraum entsprechend gediegen zu. Harte Kunststoffe suchen wir vergeblich, der Innenraum ist großflächig mit weichen, schön verarbeiteten Materialien bespannt. In der Basisausstattung ist der gesamte Innenraum mit tierfreien Stoffen ausgestattet, unser Testwagen ist allerdings mit weißem Leder samt Kühlung und Massage bestückt. Sitzheizung zählt zum Serienumfang. Auch wenn der Aufpreis für die Ledersitze 6000€ beträgt: Das Geld ist gut investiert, denn auf den ‚WeaveTech‘-Sitzbezügen neigen wir zum Schwitzen, da der Stoff wenig atmungsaktiv ist.
Das Cockpit wird vom 14,5“ großen, senkrecht stehenden Display dominiert, worüber sämtliche Fahrzeugfunktionen gesteuert werden. Der einzige mechanische Knopf ist der Lautstärkeregler.
Bei der Bedienung mit Luft nach oben
Als Betriebssystem setzt Polestar beim ‚3‘ wie gewohnt auf Android Automotive, was etwas Gewöhnung benötigt, dann aber doch intuitiv gelingt. Die Symbole für die Klimasteuerung, Homescreen und Fahrzeugeinstellung dürften aber gerne noch etwas größer ausfallen. Gewöhnungsbedürftig ist zudem die Belegung der Lenkradtasten. Diese sind unbeleuchtet und kapazitiv ausgeführt und haben beinahe keine Funktionalität. So lassen sich auf der rechten Seite des Lenkrads nur die Sprachsteuerung starten und das Fahrerdisplay konfigurieren. Das linke Bedienfeld lässt sich gar nur nutzen, sofern der ‚Drive Pilot‘ aktiv ist. Dann lässt sich hier die Geschwindigkeit einstellen. Wer also beispielsweise ein Lied in der Spotify-App überspringen möchte, muss also beispielsweise den Zentralbildschirm bemühen. Die Änderung der Lautstärke gelingt dagegen nur über den genannten Drehknopf auf der Mittelkonsole. Hier verschenkt der Polestar Potenzial.
Sportlich oder komfortabel? Der Polestar 3 kann beides
Nun aber los, schließlich ist Polestar als sportlich orientierte Ableger von Volvo entstanden, entsprechend dynamisch sollte die Ausfahrt werden. Auch die Region der Testfahrt in Südbayern mit Passstraßen verspricht viel Fahrspaß, nicht zuletzt dank der üppigen Motorenleistung.
Zuerst fällt uns allerdings das Luftfahrwerk auf (Serie bei Dual-Motor). Dieses bügelt Fahrbahnunebenheiten zuverlässig glatt und sorgt damit für sehr hohen Komfort. Passend dazu ist der Polestar 3 sehr gut gedämmt. Auftritt: Bowers & Wilkins-Soundsystem. Mit 25 Lautsprechern, 1610 Watt Verstärkerleistung und Dolby Atmos spielt der Polestar hier ganz groß auf. Egal ob klassische Streicher oder basslastige EDM, die 6000€ Paketpreis sind für Musikfans sehr gut investiertes Geld.
Wir nähern uns mit dem Polestar 3 in der Zwischenzeit dem Sudelpass und stellen den Antrieb auf ‚Performance‘. Damit sind nun beide Motoren permanent aktiv, der Testwagen spricht nun auf Pedalbefehle sehr spontan an. Trotz gut 2,6 Tonnen Leergewicht kann der Polestar auf der Passstraße überzeugen. Denn dank intelligenter Drehmomentverteilung (Torque Vectoring) ist Traktionsverlust kein Thema und das Fahrwerk verhindert wirksam stärkere Seitenneigung. Auch die Abstimmung der Lenkung hat man bei Polestar in Sachen Präzision und Lenkgefühl gut hinbekommen, auch wenn das letzte Quäntchen Rückmeldung fehlt. Tatsächlich ist es, wie häufig bei Elektrofahrzeugen, spannend, wie schnell und gleichzeitig mühelos der ‚3‘ die Passstraße erklimmt. Auch die Abstimmung von Rekuperation und mechanischer Bremse passt, wir konnten hier keinen Übergang der beiden Systeme feststellen.
Klassenüblich viel Platz im Innenraum
Nun richtet sich der Polestar 3 aber aufgrund der Karosserieform eher an Familien, die Platz brauchen, denn an Sportfahrer (Polestar 5 und 6 kommen schließlich noch). Wir nehmen also auf der Rücksitzbank Platz und sind positiv überrascht. Auch Menschen über zwei Meter Körpergröße kommen dem serienmäßigen Glasdach nicht zu nah, stattdessen ergibt sich, nicht zuletzt aufgrund des weißen Leders, ein sehr luftiges Sitzgefühl. Etwas ärgerlich ist lediglich, wie bei fast allen Elektroautos, der spitze Kniewinkel, bedingt durch den hohen Fahrzeugboden. Damit der Polestar 3 fit für die Urlaubsreise ist, spendiert der Hersteller außerdem 597 Liter Kofferraumvolumen (bei dachhoher Beladung). Das Ladeequipment lässt sich dagegen unter der Fronthaube verstauen.
Auf Wunsch sparsam und mit vernünftiger Reichweite
Damit der Ladestopp auf der Fahrt in den Urlaub trotz 107 kWh Akku (netto) nicht zu lange dauert, schafft der Polestar an der Ladesäule bis zu 250 kW. Die Konkurrenz lädt hier zwar mittlerweile mit bis zu 320 kW, aber ein Ladezeit 30 Minuten für den Hub von 10% auf 80% gehen noch in Ordnung. Unser Testverbrauch (ohne Ladeverluste) lag trotz teilweise dynamischer Fahrweise über eine Strecke von 130 km durch Ortschaften und über die Landstraße sowie Autobahn bei 20,2 kWh, womit sich eine rechnerische Reichweite von über 500 Kilometern ergibt. Und auch auf der Autobahn dürfte die Reichweite bei Richtgeschwindigkeit trotz des mäßigen cw-Werts von 0,29 für etwa 350-400 Kilometer ausreichen.
Polestar 3: Nicht billig – aber günstiger als die Konkurrenz
Der Polestar 3 lässt sich derzeit in der Basis ‚Long Range Single Motor‘ ab 78.590€ zzgl. Überführungskosten bestellen. Der Listenpreis unseres sehr gut ausgestatten Testwagens beläuft sich dagegen auf 108.490€. Zum Vergleich: Ein vergleichbar ausgestatteter BMW iX 50 xDrive (Fahrbericht) liegt derzeit bei etwa 127.000€. Und auch der Konzernbruder EX90 kostet ähnlich ausgestattet mit 119.010€ gut 10.000€ mehr als der Polestar.
Technische Daten Polestar 3
(Long Range Dual Motor mit ‘Performance Paket’)
Hier gibt es die Konfiguration unseres Testwagens als PDF
Länge x Breite x Höhe | 4,90m x 1,97m x 1,61m |
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Kofferraumvolumen | 484L + 32L Frunk |
Leergewicht (DIN) | 2584kg |
Spitzenleistung | 380kW / 517PS |
Drehmoment | 910Nm |
Höchstgeschwindigkeit | 210km/h (elektronisch begrenzt) |
Beschleunigung 0-100km/h | 4,7s |
Maximale Ladeleistung (DC) | 250kW |
Maximale Ladeleistung (AC) | 11kW |
Ladezeit (DC, 10%-80%) | 30min |
Verbrauch WLTP / Test | 22,1kWh/100km / 20,2kWh |
Zulässige Anhängelast | 2200kg (gebremst) |
Preis Basis / Testwagen | 92.190€ / 108.490€ |