Fahrberichte Nio

Nio EL8: Sanfter Riese im Test

266 neue NIO wurden 2024 bis einschließlich Juli in Deutschland zugelassen. Damit liegt der Hersteller zwar vor Rolls Royce (209) und Lotus (194), aber hinter Maserati (347) und Bentley (506). Anders als die genannten Mitbewerber produziert NIO aber keine extrem hochpreisigen Luxusfahrzeuge, sondern ausschließlich Elektrofahrzeuge in der Mittel- und Oberklasse. Mit dem NIO EL8 positioniert sich der Hersteller nun aber auch im Segment der Oberklasse SUV und tritt damit gegen Audi Q8 e-tron (Testbericht), BMW iX (Testbericht) und Mercedes-Benz EQS-SUV an. Wir fahren das 480 kW (653PS)  starke SUV in der Executive-Version.

NIO EL8: Immer nahezu Vollausstattung

Trotz der für europäische Verhältnisse üppigen Abmessungen von 5,10 Metern Länge, 1,99 Meter Breite und 1,75 Metern Höhe wirkt der EL8 auf den ersten Blick nicht übertrieben wuchtig. Aufgrund der vielen geschwungenen, runden Formen samt der typischen NIO-Front würden wir den Auftritt eher als elegant beschreiben. Auch das markentypische LiDAR sowie die Kameras auf dem Dach sind beim EL8 weniger auffällig. Im Inneren bietet das SUV Platz für bis zu sechs Personen, in drei Reihen. Da wir, wie oben geschrieben, die Executive-Version fahren, dürfen sich die Fahrgäste in Reihe zwei über einen Kühlschrank in Reihe zwei freuen. Nettes Gimmick: Der Kühlschrank lässt sich auch auf bis zu 50°C aufheizen, um beispielsweise Essen warm zu halten.

NIO EL8 Seitenansicht

Trotz 5,10 Metern Länge wirkt der EL8 dank geschwungener Formen nicht übertrieben wuchtig. Unser Testwagen trägt die Farbe “Nebula Green” (2000€) sowie 21″ Felgen (1500€). Wer 21″ oder 22″-Felgen wählt erhält zudem immer orange lackierte Bremssättel.

Der komfortabelste Platz ist allerdings vorne rechts. Auf Knopfdruck fährt der Beifahrersitz in eine „schwerlos“ genannte Liegeposition inklusive Fußauflage. Dafür entfällt allerdings das Handschuhfach. Dass Sitzmassage, -lüftung und -heizung in diesem Segment an den Sitzen in Reihe eins und zwei an Bord sind, ist zwar nicht selbstverständlich, gehört aber bei NIO zum guten Ton. Erfreulich hochwertig sind auch die Verarbeitung und Materialqualität des SUVs. Egal wo wir hinfassen, Alles ist solide und passgenau verarbeitet, nichts klappert. Das kann die deutsche Konkurrenz auch nicht besser. Etwas gewöhnungsbedürftig ist lediglich der Verzicht auf Tasten, die meisten Funktionen werden über das 12,9″ große Display in der Mittelkonsole gesteuert. Dessen Bedienoberfläche erinnert in den Grundzügen an die “One Layer”-Architektur von Mercedes-Benz und reagiert zügig auf Benutzereingaben. Zum Serienumfang zählen zudem ein großes Glasdach, Luftfahrwerk, Headup-Display, Matrix-LED und ein Soundsystem mit 23 Lautsprechern – bei der Konkurrenz werden hierfür mehrere tausend Euro extra fällig.

Komfortabel und spurtstark

Damit sich auch der Fahrer auf der Autobahn entspannen kann stattet NIO den EL8 mit zahlreichen teilautonomen Fahrfunktionen aus. Die Daten liefern hierfür 33 Sensoren und Steuergeräte, darunter 11 Kameras, LiDAR und 5 Radar-Sensoren. Das System tauft NIO ‘AQUILA’, die Auswertung der Daten übernimmt ‘ADAM’, laut NIO der derzeit leistungsstärkste Computerplattform dieser Art.  So fährt der EL8 teilautonom auf der Autobahn und nimmt auch engere Kurven selbstständig. Wer lieber selbst fährt muss sich dagegen mit der eher leichtgängigen und gefühlsarmen Lenkung arrangieren. Diese passt aber immerhin zum sehr weich abgestimmten, neu entwickelten Zwei-Kammer-Luftfahrwerk. So wird der EL8 trotz 480kW (653 PS) Systemleistung nicht zum Sportwagen. Kurze Zwischensprints bis zur elektronisch begrenzten Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h erledigt das 2,6 Tonnen SUV aber natürlich mit Leichtigkeit. In schneller gefahrenen Kurven neigt sich der NIO dann aber aufgrund des hohen Aufbaus und mangels Wankstabilisierung.

Einen Eindruck von den Assistenzsystemen aus dem Hause NIO vermittelt auch unser Test im Video, allerdings mit einem etwas älteren Softwarestand.

Gute Reichweite trotz üppiger Abmessungen im EL8

Wer nun glaubt, dass der EL8 aufgrund von Größe und Masse ständig an der Ladesäule steht, irrt allerdings. So kann einerseits, wie bei allen NIOs, an speziellen Akkutauschstationen innerhalb weniger Minuten der leere Akku gegen einen vollen getauscht werden. Andererseits lädt der EL8 nun mit bis zu 240kW – zumindest wenn der große 90 kWh (netto) Akku geordert wird und die Ladesäule 660A bei 400V liefert. Zudem ging unser Testwagen überraschend sparsam mit dem Energieinhalt des Akkus um. Nach unserer Testfahrt über Landstraßen und durch die Stadt vermeldete der Bordcomputer einen Verbrauch von 19,9 kWh auf 100 Kilometer. Die Reichweite mit dem 90 kWh Akku liegt hier rechnerische bei etwa 450 Kilometer pro Akkufüllung. Und auch auf der Autobahn dürfte der EL8 über 350km schaffen. Hilfreich ist hier sicherlich auch der cW-Wert von 0,25.

NIO EL8 Cockpit

Im Cockpit verzichtet NIO größtenteils auf Knöpfe und Schalter, die Bedienung erfolgt über das 12,9″ Infotainment in der Mitte. Die Verarbeitungsqualität unseres ‘Palazzo Beige’ (1000€) ausgekleideten EL8 bewegt sich auf hohem Niveau, auch wenn wir auf aufwendige Steppungen verzichten müssen.

Der “Phaeton-Effekt”

Trotzdem dürfte es der NIO EL8 auf dem deutschen Markt relativ schwer haben, den Grund nennen wir hier „Phaeton-Effekt“. Der VW Phaeton war eine von 2001 bis 2016 angebotene Oberklasselimousine, deren Verkaufszahlen allerdings immer hinter denen von Audi A8, BMW 7er und Mercedes S-Klasse zurückblieb – obwohl es sich objektiv um ein gutes Auto handelte. Der mutmaßliche Grund: Fehlendes Prestige. Ähnlich könnte es auch dem EL8 gehen. Auch wenn es sich objektiv um ein gutes Fahrzeug handelt, fehlt es der Marke NIO derzeit noch an Reputation, um gegen die starke deutsche Premiumkonkurrenz bestehen zu können. Zudem ist der EL8 nicht deutlich billiger als die deutschen Fabrikate.

Erschwerend hinzu kommt die aktuell noch dünne Werkstattinfrastruktur. Zwar lassen sich laut NIO die meisten Probleme am Fahrzeug per Fernzugriff lösen und acht mobile Servicefahrzeuge erledigen den Service auf Wunsch zuhause bei den „Usern“ (NIO-Ausdruck für Kunden). Für größere Reparaturen muss der Kunde im Zweifelsfall aber weitere Strecken zurücklegen. Allerdings hat NIO uns gegenüber angekündigt das Händler- und Servicenetz in naher Zukunft weiter auszubauen.

Gediegen auch die Plätze in der zweiten Reihe, inklusive Sitzheizung, -lüftung und -massage. In der Mittelkonsole, welche der ‘Executive’-Version vorbehalten ist, können Smartphones induktiv geladen und Lebensmittel gekühlt oder erwärmt werden. Quelle: NIO

NIO EL8: Immer online und vernetzt

Überhaupt sind Softwareupdates die große Stärke von NIO. Über 90% der Steuergeräte lassen sich per Update über das Internet aktualisieren. Konkret reicht das beispielsweise von der Fahrwerksabstimmung über die Sitzmassage bis zum Infotainment und Soundsystem. Zudem können Kunden über die Assistentin NOMI (‚Know Me‘) jederzeit Feedback an NIO schicken, die diese Verbesserungswünsche dann, sofern möglich, per Softwareupdate einspielen und die Fahrzeuge damit regelmäßig verbessern.

Der NIO EL8 lässt sich ab sofort ab 82.900€ zzgl. 169€ (75 kWh brutto) oder 289€ (100 kWh brutto) monatlicher Batteriemiete bestellen. Wer die Batterie lieber kaufen statt mieten möchte, muss dafür 12.000€ (75 kWh) oder 21.000€ (100 kWh) bezahlen. Der von uns gefahrene EL8 Executive startet ab 84.900€, unser Testwagen liegt bei einem Listenpreis von 91.650€ zzgl. 289€ monatlicher Batteriemiete.

Am Heck findet sich wie an der Front die typische NIO-Formensprache wieder. Auch wenn NIO in Deutschland (noch) die Reputation eines BMW oder Mercedes-Benz fehlt, fügt er sich gut in die Kulisse des herrschaftlichen Schoss Bensberg ein.

Technisch Daten NIO EL8 Long Range ‘Executive’:

NIO EL8 Long Range 'Executive'Daten
LxHxB5,10m x 1,99m x 1,75m
Kofferraumvolumen785L (bei umgelegter dritter Reihe)
Leergewicht (DIN)2558kg
Spitzenleistung480kW / 653PS
Drehmoment850Nm
Hu00f6chstgeschwindigkeit200km/h (elektronisch begrenzt)
Beschleunigung 0-100km/h4,1s
Maximale Ladeleistung (DC)bis zu 240kW
Maximale Ladeleistung (AC)11kW
Ladezeit (DC, 10%-80%)20min
Verbrauch WLTP / Test22kWh/100km / 20kWh
Preis Basis / Testwagen84.900u20ac, 91.650u20ac jeweils zzgl. 289u20ac mtl. Batteriemiete

Über den Autor

Jonas Braunersreuther

Autor Jonas Braunersreuther interessiert sich von Kindesbeinen an für sportliche Autos und Zweiräder sowie neue Entwicklungen auf dem Automobilmarkt.

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