Fahrberichte Kia

Kia Rio im Test: Ein Herz für Kleinwagen

Kia Rio Barytblau 2022

Stellt ein Hersteller ein neues oder überarbeitetes Modell vor, dann meistens unter optimalen Bedingungen. Sonnig warm in Spanien oder in atemberaubenden Landschaften auf Island, in Norwegen oder in den weiten Landschaften Nordamerikas. Klar, das neue Produkt soll bestmöglich in Szene gesetzt werden. Wir fahren dann häufig auf speziell vom Hersteller ausgesuchten Routen, welche die Stärken des Fahrzeugs unterstreichen sollen. Alltagsnahe Testszenarien stehen dabei nicht unbedingt ganz oben im Lastenheft der Hersteller. Vielmehr sollen dabei scheinbar eine positive Stimmung und tolle Bilder und Videos entstehen.

Heute steht dagegen das Kontrastprogramm auf der Agenda. Süddeutschland, Alltag, Temperaturen um den Gefrierpunkt. Wie schlägt sich der nicht mehr ganz frische Kia Rio (seit 2017 in der aktuellen Version auf dem Markt, letztes Facelift 2020) unter diesen Bedingungen? Schaut man auf die aktuellen Zulassungszahlen läuft es nicht ganz rund für den 4,07 Meter langen Rio: Im Oktober 2022 wurden nur knapp 300 neue Rios zugelassen. Polo oder Corsa kommen dagegen auf jeweils über 2000 Zulassungen. Dabei gibt es den Rio im Vergleich zu Polo und Corsa sogar als Mild-Hybrid. Und ein solches Modell steht uns auch zum Test zur Verfügung.

Kia Rio Front

Auf den ersten Blick ein Kia: ‘Tigernose’-Grill, je nach Ausstattung mit LED-Scheinwerfern & 17″-Felgen.

Kia Rio: Technisch gute Voraussetzungen

Der Rio der dritten Generation ist in Deutschland seit 2017 auf dem Markt, 2020 wurde der Kleinwagen überarbeitet. Damit befindet sich die aktuelle Generation im letzten Viertel ihres Modellzyklus. Trotzdem bietet der Rio auf Wunsch zeitgemäße Technik. So kann der Rio auf der Autobahn aktiv die Spur halten, warnt beim Ausparken vor rückwärtigem Querverkehr und während der Fahrt vor Fahrzeugen im toten Winkel. Auch LED-Scheinwerfer verbaut Kia in den höheren Modellvarianten. Schade, dass Nebelscheinwerfer, Blinker und Abbiegelicht mit Halogenlampen bestückt bleiben. Im Innenraum verfügt der Rio nun außerdem über das bekannt gute UVO-Infotainmentsystem, hier im 8″-Format. Doch grau ist alle Theorie. Und damit zurück zum Anfang: Alltagstest.

120PS & 48V-Elektromotor: Zu viel?

Zum Test fährt der Kia Rio mit 1,0 Liter Dreizylinder-Benziner vor. Unterstützt wird der Benziner von einem 48-Volt-Elektromotor, welcher an der Kurbelwelle sitzt. Geschaltet wird klassisch mittels 6-Gang-Schaltgetriebe, wobei hier das iMT (intelligent Manuell Transmission) arbeitet. Dabei wird die Kupplung nicht direkt via Pedal bedient, diesen Job übernimmt stattdessen ein Steuergerät samt Motor. So kuppelt der Kia Rio beim Ausrollen an Ampeln automatisch aus und segelt auch auf der Autobahn mit abeschaltetem Motor. Die Dosierung des leichtgängigen und rückmeldungsarmen Kupplungspedals erfordert allerdings etwas Eingewöhnungszeit.

Insgesamt soll die Kombination aus Benziner und E-Maschine 120 PS und 172 Nm Drehmoment versammeln. Mit dem optionalen Doppelkupplungsgetriebe steigt das Drehmoment auf 200 Nm. Auch wenn sich 120 PS bei einem Leergewicht von gut 1200 kg stattlich anhören: Der muntere Dreizylinder legt erst ab etwa 2500 Touren so richtig los, dreht dann aber frei bis über 5000 Umdrehungen. Für zügiges Vorankommen benötigt der Rio also Drehzahl. Von der E-Unterstützung spüren wir zudem wenig. Was die Frage aufwirft, ob die 100 PS-Version des Dreizylinders nicht auch ausreichend ist.

Kia Rio Türverkleidung

Größtes Manko: Die einfach gestaltete Türverkleidung bietet keine gepolsterte Armauflage, was den Komfort auf längeren Strecken spürbar schmälert.

Harte Kunststoffe und tolle Bedienung im Kia Rio

Damit sind wir in der Stadt zügig unterwegs und erfreuen uns über die präzise Lenkung. Weniger sportlich tritt dagegen das Fahrwerk auf, das den kleinen Rio doch recht stark wanken und früh untersteuern lässt. Sportlichem treiben setzen zudem die Sitze mit wenig Seitenhalt ein Ende. Widmen wir uns lieber dem Thema Innenraumqualität und Bedienung. Unser Kia Rio mit der Ausstattungslinie “Spirit” ist großflächig mit kratzresistentem aber hartem Kunststoff verkleidet, was leider auch für die Armauflage der Türen gilt und den Fahrkomfort auf längeren Fahrten bemerkenswert einschränkt. Das ist deswegen ärgerlich, das insbesondere in der ersten Reihe Fahrgäste durchaus gut und langsteckentauglich sitzen. In Reihe zwei geht es klassenüblich beengter zu.

Deutlich besser als die Materialauswahl gefällt uns dagegen die Bedienung von Klimaautomatik mit großen Drehreglern und Infotainmentsystem. Durch eine sehr gelungene Kombination von Tasten und Touchscreen lässt sich hier zügig die gewünschte Funktion erreichen. Das Kia-eigene Navigationssystem mit Echtzeitdaten kostet zwar Aufpreis, dank Android Auto und Apple Carplay lassen sich allerdings Smartphones zur Navigation und Musiksteuerung verbinden.

So geht Bedienung: Echte Tasten am Lenkrad, Klimaautomatik mit Drehreglern und tolles Infotainment. Klasse!

Auf Wunsch viele Assistenzsysteme

Außerdem wichtig für ein Stadtauto: Parken und Einladen. Aufgrund der breiten C-Säule ist die Sicht nach hinten ziemlich eingeschränkt, dafür helfen in unserem Kia Rio “Spirit” Parksensoren vorne und hinten sowie Rückfahrkamera. So ausgestattet lässt sich der Kia Rio recht problemlos auch in kleine in Parklücken dirigieren. Auch den Wocheneinkauf packt der Rio mit 325 Liter Kofferraumvolumen im nicht ganz ebenen Kofferraum weg, nur die Ladekante dürfte etwas niedriger ausfallen. Was wir vermisst haben: Taschenhaken und Fächer oder Netze zum Verstauen von Kleinkram im Kofferraum.

Auch die Autobahn muss der Rio nicht fürchten, denn mit aktiver Spurmittenführung und Totwinkelwarner sowie Tempomat sind auch hier die wichtigsten Assistenten verfügbar. Schade ist allerdings, dass es einen adaptiven Tempomat nur für Fahrzeuge mit Automatik gibt.

Verbrauch und Kosten

Greifen wir noch einmal die Frage auf, ob die 100 PS-Version nicht die bessere Wahl wäre. Zuerst zur Haben-Seite. Unser Kia Rio ‘Spirit’ startet mit Handschaltung und 120 PS Mild-Hybrid bei 22.550€. Mit Außenfarbe ‘Bathysblau’ (590€), Technologie- (1150€) und Navigationspaket (1040€) liegt der Testwagenpreis bei 25.330€. Ein vergleichbar ausgestatteter Rio, allerdings mit 100 PS und Automatikgetriebe (DCT) lässt sich beim freundlichen Kia-Händler für 25.430€ bestellen, dann allerdings mit adaptiver Geschwindigkeitsregelung, statt “dummem” Tempomat.

Damit ist für uns die Wahl klar: Wir würden auf die 20 (kaum spürbaren) Hybrid-PS verzichten und stattdessen zum DCT-Getriebe greifen. Auch beim Verbrauch kann der Hybrid nur bedingt überzeugen. Über etwa 2000 Kilometer haben wir einen Verbrauch von etwa 6 Liter auf 100 Kilometer eingefahren, was für einen Kompaktwagen nicht wirklich sparsam ist. Ohne Hybridunterstützung sollte der Verbrauch erfahrungsgemäß etwa einen halben Liter auf 100 Kilometer höher liegen.

Klassischer Tacho ohne viel Schnick-Schnack. Der Nutzen des Hybrid-Systems ist eher überschaubar (Verbrauch 6,1 L/100 km), immerhin wird aber der Energiefluss angezeigt.

Geringe Zulassungszahlen: Zu recht?

Woran liegt es also, dass der Kia Rio bei den Zulassungszahlen im Vergleich zu Corsa und Polo den Kürzeren zieht? Auf der Haben-Seite stehen das typische Kia-Design, eine tolle Bedienung und zahlreiche gute, teils aufpreispflichtige, Assistenzsysteme. Im Vergleich zur deutschen Konkurrenz fällt der Rio allerdings beim Thema Innenraumqualität zurück. Auch ein digitales Instrumentendisplay, Matrix-LED oder ein adaptiver Tempomat bei den Handschalterversionen fehlt im Vergleich zur Konkurrenz.

Technische Daten Kia Rio 1.0 T-GDI 120 EcoDynamics+

Technische Daten Daten Kia Rio 1.0 T-GDI 48V 'Spirit'
Hubraum998 ccm
Leistung bei Drehzahl120 PS bei 6000 1/min
Drehmoment bei Drehzahl172 Nm bei 1500-4000 1/min
Getriebe6-Gang Schaltgetriebe mit elektrisch unterstützter Kupplung
Beschleunigung 0-100 km/h10,2 s
AntriebsachseFrontantrieb
Höchstgeschwindigkeit190 km/h
Abmessungen (Länge x Breite x Höhe)4,07m x 1,73m x 1,45m
Gewicht (mit Fahrer)ca. 1200kg
Verbrauch (Hersteller / Test)4,5 L/100 km / 6,1 L/100 km
Preis (Basis / Testwagen)22.550€ / 25.330€

 

Über den Autor

Jonas Braunersreuther

Autor Jonas Braunersreuther interessiert sich von Kindesbeinen an für sportliche Autos und Zweiräder sowie neue Entwicklungen auf dem Automobilmarkt.

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