Mit der E-GMP-Plattform gelang der Hyundai Motor Group, Kia‘s Mutterkonzern, 2021 der große Wurf: 800V Batteriespannung samt Ladezeiten von 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent an der Schnellladesäule kannte man bis dahin hauptsächlich von Porsche. Und auch 2025 ist die Anzahl erschwinglicher Elektroautos mit 800V Bordnetz überschaubar und meist auf das Luxussegment beschränkt, auch wenn andere Hersteller wie BMW und Mercedes-Benz demnächst nachziehen. Kurz gesagt: Der Kia EV6 nahm der deutschen Konkurrenz, insbesondere dem vergleichbaren VW ID.5, ziemlich die Butter vom Brot. Dass der EV6 sogar als akzeptables Zugfahrzeug dient, haben wir im Sommer 2024 getestet.
Ende 2024 folgte nun das Facelift des EV6. Kia erhöhte die nutzbare Batteriekapazität auf bis zu 84 kWh, dazu gibt es nun ein neu gestaltetes Exterieur. Zeit dem neuen EV6 auf den Zahn zu fühlen, konkret auf der Langstrecke, die mit dem großen Akku und nochmals leicht gesteigerter Ladeleistung von bis zu 258 kW noch entspannter bewältigt werden sollte.

Optisch auffällig sind beim Facelift vor allem die geänderten Lichtsignaturen an Front und Heck. Unser Testwagen trägt übrigens die Lackierung ‘Snow White Pearl’ für 980€.
Kia EV6: Routenplanung mit Luft nach oben (Update wird ausgerollt)
Für unsere Ausfahrt steht uns ein Kia EV6 mit Heckantrieb (168kW / 229PS) in der Ausstattungslinie „Earth“ zur Verfügung. Auf dem Papier ist dies die effizienteste Variante des EV6, der Energieumsatz nach WLTP liegt bei 16,9 kWh auf 100 km. Wer serienmäßigen 19“-Felgen wählt spart hier übrigens nochmal. Der Vergleichbarkeit wegen fahren wir die schon mehrfach gefahrene Route Nürnberg – Rotterdam. Mit Blick auf die hohe Ladeleistung des Kia EV6 steuern wir zudem bevorzugt Ladesäulen von Ionity an, da hier in der Regel jedes Fahrzeug eine eigene Ladesäule mit bis zum 350kW nutzt.
Die Ladeplanung selbst überlassen wir der ins Navigationssystem integrierten EV-Routenplanung. Diese lässt zwar grundsätzlich die Auswahl des bevorzugten Ladeanbieters zu, rechnet insgesamt aber ziemlich konservativ. So steuert der EV6 bereits bei 20% Akkukapazität den nächsten Ladepunkt an, 30% gelten für den Ladestand am Ziel. Auch der berechnete Energieumsatz im Fahrbetrieb wird vom EV6 konservativ berechnet, sodass wir trotz hoher Autobahngeschwindigkeit von teilweise 150 km/h am Ladepunkt noch immer mehr Akkukapazität verfügbar hatten als vom Fahrzeug berechnet. Hier bieten andere Hersteller mittlerweile mehr Flexibilität. Entsprechend plante der Testwagen für die 700 Kilometer lange Strecke drei Ladestopps ein. Mit etwas Erfahrung sollte die Strecke aber auch mit Ladestopps machbar sein. Mittlerweile rollt Kia auch schon ein Update für den EV-Routenplaner aus, das die von uns kritisierten Punkte (insbesondere SoC an der Ladesäule / Ziel) verbessern soll.

Die Grundzutaten für eine gelungene Routenplanung sind im EV6 vorhanden. Die Berechnung der Ladepunkte ist allerdings konservativ. Ein Update der Software soll hier allerdings Abhilfe schaffen.
Assistenten mit Feinschliff
Auf ersten Metern fallen uns zwei Verbesserungen des Facelifts besonders auf. So überzeugt der Kia EV6 mit einem angenehm niedrigen Geräuschniveau, Wind- und Fahrbahngeräusche sind bei Tempo 130 fast nicht wahrnehmbar. Außerdem arbeitet das Lenkrad in Kombination mit dem Spurhalteassistenten nun kapazitiv. Es genügt also die Hände ans Lenkrad zu halten, um dem Fahrzeug zu bestätigen, dass wir noch anwesend sind. Ein regelmäßiger Lenkimpuls wie bisher ist nicht mehr notwendig. Auch das Fahrwerk will Kia im Zuge der Modellpflege überarbeitet haben. Ohne direkten Vergleich fällt es uns allerdings schwer hier große Unterschiede festzustellen. Das Facelift federt auf jeden Fall in einem guten Spagat zwischen komfortabel und straff. Die Vorstellung des Kia EV6 Facelift haben wir schon hier im Video gezeigt:
Nervig ist dagegen die Vielzahl an unterschiedlichen Warntönen, welche der Kia EV6 bietet. Genannt seien hier vor allem der obligatorischen Tempowarner (immerhin mit einem Tastendruck abzuschalten), die Warnung beim Überfahren des Fahrbahnlimits und die Aufmerksamkeitswarnung. Diese lassen sich zwar alle im Infotainmentsystem abschalten, sind aber – nach EU-Vorgabe – nach jedem Fahrzeugstart erneut aktiv. Fahrzeuge anderer Hersteller setzen hier auf weniger nervige optische statt akustische Warnungen.

Im Interieur ändert sich optisch wenig, im Zuge der Modellpflege gibt es aber eine neue Infotainment-Hardware und verbesserte Assistenten. (Quelle: Kia)
200kW+ an der Ladesäule
An der Ladestation angekommen spielt der Testwagen dann seine hohe Ladeleistung aus und lädt mit bis zu 215 kW. Erwähnenswert ist zudem, dass das Facelift die hohe Ladeleistung lange hält. Selbst bei 70% Akkukapazität steht die Ladeleistung noch bei über 160 kW. Wer die Ladepause also für einen Toilettengang und einen Kaffee nutzt, muss kaum auf das Ende des Ladevorgangs warten. Konkret haben wir jeweils etwa 15 Minuten geladen, um dann etwa 160 bis 190 Kilometer zu fahren.
Erwähnenswert ist, dass der EV6 auf unserem Langstreckentest nie die theoretisch mögliche maximale Ladeleistung von 258 kW erreicht hat. Um diese zu erreichen mussten wir es regelrecht provozieren. Heißt: Akkukonditionierung manuell starten, den Akku fast vollständig leer fahren und mit häufigem starkem beschleunigen und rekuperieren stark erwärmen. So vorbereitet erreichte der EV6 nach etwas Anlauf bei 27% Ladestand eine Ladeleistung von 245kW, die bis 50% auf 254kW stieg. Die Schattenseite: Bei einem Ladestand von 71% fiel die Ladeleistung plötzlich auf 32 kW. Ein Neustart der Ladung brachte dann wieder 121 kW Ladeleistung. Gut möglich, dass das Kühlsystem des EV6 hier an der Grenze arbeitete.

An der Ladesäule spielt der EV6 seine Batteriespannung von 800V aus und lädt regelmäßig mit über 200 kW.
Vernünftig motorisiert und mit guter Reichweite
Auch auf der Autobahn gibt sich der Kia EV6 als angenehmer Reisebegleiter, so scheint das optionale Meridian-Soundsystem verbessert worden zu sein. Mit 168 kW / 229 PS ist der EV6 zudem absolut ausreichend motorisiert und wird zudem erst bei einem Tempo von über 180 km/h elektronisch eingebremst.
In Sachen Verbrauch bewegt sich der Kia EV6 im guten Mittelfeld. Auf unserer Teststrecke über 704km lag der Energieumsatz bei 23,7 kWh/100km, wobei wir bei freier Autobahn teilweise auch 160 km/h gefahren sind. Die aufgezogenen Winterreifen und eine Außentemperatur unter 10°C waren dem Energiebedarf ebenfalls nicht zuträglich. Deutlich effizienter waren wir dann auf der niederländischen Autobahn unterwegs. Auf flacher Strecke und bei Tempolimit 100 genehmigte sich der EV6 am nächsten Tag nur 18 kWh/100km, trotz 7°C Außentemperatur.

Das Ende einer Reise: Unter dem Strich genehmigte sich der EV6 auf der Autobahn 23,7 kWh. Mit einem Verbrenner wären wir (auch aufgrund der Verkehrslage) kaum schneller gewesen.
Kia EV6: Fazit
Mit dem Facelift macht Kia ein sehr gutes Auto im Detail noch besser. Die etwas größere Batterie sorgt für über 350 zügig gefahrene Kilometer Reichweite auf der Autobahn, die dank sehr hoher maximaler Ladeleistung ohne lange Pause wieder aufgefüllt werden kann. Das großzügige Platzangebot im Innenraum bleibt dabei unverändert, allerdings bei (gefühlt) geringerem Geräuschniveau. Nachbessern darf Kia dagegen gerne bei der EV-Routenplanung, aber das sollte via OTA-Softwareupdate auch ohne Werkstattbesuch möglich sein. Auch in der Anschaffung ist der Kia EV6 im Vergleich zur Konkurrenz konkurrenzfähig eingepreist. Unser EV6 RWD mit großem Akku startet bei 51.990€, unser voll ausgestatteter Testwagen möchte mit 59.730€ bezahlt werden. Der zu Beginn erwähnte VW ID.5 kostet als ‚Pro‘ mit etwas kleinerem Akku aber mehr Leistung vergleichbar ausgestattet 62.190€.
Abschließend gibt es hier unsere Kia EV6 Testwagenkonfiguration.
Technische Daten Kia EV6 RWD:
| Kia EV6 RWD | |
| Länge x Breite x Höhe | 4,70m x 1,89m x 1,55m |
| Kofferraumvolumen | 490L + 52L Frunk |
| Leergewicht (DIN) | 2050kg |
| Akkukapazität | 84kWh (brutto) |
| Spitzenleistung | 168kW / 229PS |
| Drehmoment | 350Nm |
| Höchstgeschwindigkeit | 180km/h (elektronisch begrenzt) |
| Beschleunigung 0-100km/h | 7,7s |
| Maximale Ladeleistung (DC) | 258kW |
| Maximale Ladeleistung (AC) | 11kW |
| Ladezeit (DC, 15%-80%) | 18Min |
| Verbrauch WLTP / Test | 16,9kWh/100km / 23,7kWh/100km (Autobahn) |
| Preis Basis / Testwagen | 51.990€ / 59.730€ |
