Sich mit einem Passat abheben? Im Gegensatz zu früheren Passat-Generationen geht das heute gerade in der Variante Highline ganz gut. Bei einem hohen Grundpreis, teurer Sonderausstattung und viel Chrom ist es kein Wunder, dass frühere obere Mittelklasse Fahrer schon mal innerhalb der VW Familie zu den günstigeren Derivaten aus Tschechien und Spanien greifen. Dass oft letztendlich das Gleiche drinsteckt hat sich nämlich längst herumgesprochen. Für den Mehrpreis eines Passat bekommt man allerdings auch etwas geboten, mit dem Superb und Co nicht mithalten können.
8 Zentimeter zusätzliche Länge beim Radstand machen den Passat B8 (optisch) zum längsten seiner traditionsreichen Baureihe. Die großen Flächen der Karosserie setzten da schon fast voraus, dass man sich für die ästhetischen 18-Zoll Felgen entscheidet. Die an unserem Modell montierten “Dartford”-Räder sorgen mit ihrer Lackierung in Sterling-Silber für die perfekte Mischung aus Coolness und geschäftlicher Seriosität. Die attraktivsten Heckleuchten mit Quer- und Längs-LED-Streifen gibts nur in Verbindung mit dem LED-Lichtpaket.
Interieur: In der 8. Generation fast bis zur Perfektion entwickelt
Von außen hat der Passat keine wirkliche “sieht aus wie [Konzernverwandter]”-Entsprechung. Im Interieur erkennt man dagegen recht schnell die Formen und Verhältnisse, die bei Skoda oder Seat identisch sind. In diesem Fahrbericht geht es allerdings ums Abheben – hauptsächlich geschieht das durch die hochwertige Ausstattung der Trimline Highline. Eine Option, die das Interieur zu etwas Besonderem macht, sind die ergoComfort Sitze. Sie haben ganz klar nur für Langstrecken-Kunden Sinn und machen auch die sechste Autobahnstunde ohne Unterbrechung noch entspannt. Die Polsterung hat genau die richtige Festigkeit – Seitenhalt gibts auch genug. Die integrierte Massagefunktion kann sich sehen lassen und ist von der Massagekunst her mit der Mercedes Benz E-Klasse vergleichbar, auch wenn es im Passat keine Einstellungsmöglichkeiten gibt.
Active Info Display
Das zweite Highlight im Cockpit ist der digitale Tacho, den Volkswagen Active Info Display nennt. Gerade da sich der analoge Tacho seit der letzten Generation kein bisschen verändert hat, sind hier 500 Euro bestens investiert. Die voll digitale Anzeige ist so hochauflösend, dass sie so manchem Mitfahrer nicht an den Zeigern, sondern erst bei den Animationen auffällt. Zudem hat das Active Info Display nicht nur einen Gadget- sondern einen wirklichen Nutzwert. Im Vergleich zum etwas verspielteren, unübersichtlicheren Audi-Pendant behält es im Passat die Grundanordnung der Tacho-Elemente bei. Je nach Geschmack kann die Ansicht um ein Vielfaches an Informationen erweitert werden. Wirr oder kitschig wird es dabei nie. Im Gegensatz zu ebenfalls gelungenen Varianten wie dem Display des neuen Volvo XC90 ist Volkswagens Digitaltacho neben der hohen Auflösung sowohl bei starker Sonne als auch tiefster Nacht augenfreundlich perfekt ablesbar.
2.0 TDI (240 PS): VWs Bislang stärkster Vierzylinder Turbodiesel
Der Titel unseres Fahrberichts wäre nur halb so gut, wenn “abheben” nicht noch eine andere Bedeutung zukommen würde: bezogen auf den 2.0 TDI in seiner stärksten Form. Mit 240 PS ist das Aggregat sozusagen TDIs finest und holt mit Soft- und Hardware so einiges aus den generell beliebten zwei Litern Hubraum heraus. Schon bei der jährlichen Präsentation von Bosch im Entwicklungszentrum Boxberg dieses Jahr demonstrierten die Ingenieure stolz den bisher stärksten von VW angebotenen Vierzylinder-Turbodiesel. An der Motortechnik ist Bosch in entscheidendem Maße beteiligt und hat z.B. das Einspritzsystem entwickelt, das Einspritzdrücke von bis zu sagenhaften 2.500 bar ermöglicht. Verantwortlich für das saubere Durchstarten in möglichst allen Drehzahlbereich ist außerdem das BiTurbo Modul, das mit je einem Hoch- und Niederdruck Abgasturbolader arbeitet.
220 km/h, gefühlt wie 140
Logisch, dass bei so viel Leistung ein weiterer Gang her muss. Das einschlägige 6-Gang DSG wird durch das mit sieben Gängen ersetzt, mit dem der Sprint bis 100 km/h in 6,3 Sekunden gelingt – natürlich nahezu ohne Zugkraftunterbrechnung. Den 240 PS-Diesel gibt es zudem ausschließlich mit Automatikgetriebe und dem variablen Allradantrieb 4Motion. Traktionsschwächen werden damit direkt im Keim erstickt, was bei dieser hohen Leistung und 500 Newtonmetern (sonst) nur auf der Frontachse auch nötig ist. Der Passat Variant macht mit seiner Kraft, die fast schon Benziner-gleich spritzig wirkt, auf der Landstraße jede Menge Spaß. Dazu trägt auch die Lenkung bei, die im Vergleich etwa zu konzerninternen Mitbewerbern noch ein bisschen verfeinert wurde und wirklich allzeit die optimale Lenkkraftunterstützung bietet. Beeindruckend (und für die meisten Fahrer auch nur dort sinnvoll) ist die mit den 240 PS verbundene Elastizität im schnellen Autobahnverkehr. Abbremsen und wieder Beschleunigen jenseits der 160 km/h hat selten so viel Freude bereitet und so dynamisch funktioniert. Hier vermisst man einen V6 TDI höchstens noch wegen des potenteren Sounds. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ab dieser Fahrzeugklasse Volkswagens ist die Ruhe im Inneren. Nämlich die Situation, wenn man mit über 200 km/h ein Stück weit abhebt und es dermaßen entkoppelt und gleichzeitig doch so sicher kontrollierbar wirkt. Auch bei höchsten Autobahntempi vibriert kaum etwas, es wird nicht besonders laut und dem Dynaudio Confidence Soundsystem kann man auch auf moderater Lautstärke noch zuhören. Die Geräuschdämmung ist hier tatsächlich phänomenal. Viel bequemer kommt man auch im Audi A7 nicht ans Ziel.
Der Segen der Auto-Hold Funktion, Verbrauch
Im Stadtverkehr überzeugt besonders das Start/Stopp System. Je nach Bremspedalweg im Stand geht der Motor aus oder auch nicht. Besonders das Starten beim Loslassen der Bremse funktioniert beeindruckend schnell und nahezu unbemerkt. Die Auto-Hold Funktion ist eines der Gimmicks, die den höheren Fahrzeugklassen VWs vorbehalten ist. In Verbindung mit dem Automatikgetriebe hält die Funktion das Fahrzeug auch bei eingelegtem D Modus im Stand so lange fest, bis das Gadpedal betätigt wird. Für den Stadt-Alltag gibt es kaum hilfreichere Kleinigkeiten.
Was man vom größten Diesel nicht erwarten darf sind super-niedrige Verbräuche, wie sie etwa die aktuellen 1.6 TDIs liefern. Zwar lässt sich auch der 240 PS Passat bei moderater Fahrweise unter 6 Liter drücken, im Schnitt lag unser Verbrauch aber um die 7 Liter. Wobei hier etliche schnelle Autobahnetappen und keine besonders effiziente Fahrweise enthalten waren.
Adaptive Geschwindigkeitsregelung mit Stausassistent
Innovativ sind auch die Fahrerassistenzsysteme. Für das nahezu teilautonome Fahren wären da die ACC, die Tempo und Abstand zum Vordermann konstant hält und der Lane Assist, der mit aktiven, sanften Lenkeingriffen den Passat in der Spur hält. Diese Systeme wären in Anbetracht der Kompaktklasse nichts neues, allerdings sind sie im Passat um den Stauassistent erweitert: Mit Hilfe des Radarsensors und einer Monokamera ermöglicht er in Stausituationen von 0-60 km/h eine teilautonome Folgefahrt, indem er dem Vordermann folgen und auch bei diesen niedrigen Geschwindigkeiten das Fahrzeug aktiv in der Spur halten kann. Mitbewerber benötigen hierfür oft eine Stereokamera, allerdings funktioniert der Stauassistent des Passat auch mit nur einem Auge ausgesprochen zuverlässig. Schluss mit dem Folgen ist verständlicherweise bei zu engen Kurven. Während bei Konzernverwandten bei der adaptiven Geschwindigkeitsregelung oft bei 160 km/h Ende ist, kann der Passat auch bis zu flotten 210 km/h automatisch Abstand halten – das lassen sich die Wolfsburger allerdings extra bezahlen. Serienmäßig funktioniert die ACC nämlich auch nur bis Tempo 160.
Infotainment: Discover Pro
Eine große Bedienfreude ist das Navigationssystem Discover Pro. Überraschender Weise reagiert es langsamer als die schon etwas neuere Generation namens “Columbus” bei Skoda, allerdings ist die Bedienung gleichermaßen einfach und übersichtlich. Im kaum einem Fahrzeug klingt der digitale Radioempfang außerdem besser als über das Dynaudio Soundsystem, das mit 1.300 Euro im Verhältnis gar nicht mal zu überpreist ist. Das Discover Pro erstellt in Verbindung mit der Area View Option mit Hilfe von vier Kameras auch eine virtuelle Draufsicht aufs Fahrzeug, was beim Rangieren (mit Anhängern) ungemein praktisch ist. Bislang war das Kamerasystem des Passat das einzige, bei dem die Draufsicht dynamisch beliebig verschoben werden konnte.
Intelligentes Dauerfernlicht: Active Lighting System
Besonders der Rede wert ist auch das Active Lighting System. Es handelt sich dabei um Voll-LED Scheinwerfer, die durch einen stark weiterentwickelten Fernlichtassistenten stets für die optimale Ausleuchtung der Fahrbahn sorgen. Es kann sozusagen permanent mit Fernlicht gefahren werden, das Lighting System blendet vorausfahrende oder entgegenkommende Fahrzeuge einfach aus dem Spot aus. Wie gut das funktioniert, haben wir schon in diesem Artikel mit nächtlichem Video erklärt.
Etwas über 63.000 Euro sind laut Preisliste für diesen Passat Variant fällig – das ist wirklich eine Hausnummer. Hier bewegen wir uns aber ganz klar auch schon im Bereich des “Luxus Passat”, denn vom Dynaudio Soundsystem über die beheizbare Frontscheibe bis hin zu großartigen Assistenzsystemen ist so ziemlich alles an Bord. Zusammen mit der Ausstattung Highline wird aus dem Passat technisch und optisch dann schon eher ein kleinere Phaeton als ein gut ausgestatteter Familienkombi.
Lesenswert sind auch Berichte zu den in 2015 vorgestellten Passat Derivaten wie dem Passat GTE oder dem Passat Alltrack.
Technische Daten & Preise VW Passat Variant Highline 4MOTION BlueMotion 2.0 TDI DSG
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Leistung/Drehmoment: 176 kW (239 PS) / 500 Nm
Getriebe: 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe
Antrieb: Variabler Allradantrieb
0-100 km/h: 6,3 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 238 km/h
Leergewicht: 1.735 – 1.935 kg
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Verbrauch angegeben: 5,4 Liter / 100 Km (Komb.)
Verbrauch erfahren: ca. 7.0 Liter / 100 Km (Komb.)
Farbe: Harvard Blue Metallic
Kofferraumvolumen: 650/1.780 L
Testwagenpreis: ca. 63.484 EUR
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Schöner Fahrbericht, danke
Vielen Dank für diesen etwas anderen Test mit realistischem Blick auf den Passat.
Grüße,
M. Höhn
Hallo und vielen Dank für Deine Eindrücke.
Ich finde ja, dass der Passat in den einfachen Versionen ein tolles Autos ist.
Wenn ich ihn jedoch voll ausstatte, wird er so teurer, das man seinen Blick auch mal zu Mercedes oder BMW schweifen lassen kann.
Natürlich gibt es auch Leute, die den großen Auftritt gar nicht wollen und die fahren dann mit einem gut ausgestatteten Variant besser.
Hallo,
ich fahre diesen Passat nun bereits seit knapp einem Jahr und bin mehr als zufrieden. Die Fahrdynamik ist mit diesem Motor einfach mega toll. Auch das Handling ist, für ein Fahrzeug dieser Größe, sehr angenehm. Ich kenne auch die Vorgänger, aber diese Version übertrifft alle. Ich habe jetzt ca. 30.000 km gefahren und über diese Zeit einen durchschnittlichen Verbrauch von 7.43 l/100 km gehabt. 240 PS wollen eben auch gefüttert werden.