Eigentlich ist BMW ein Pionier im Bereich der Elektromobilität – schließlich stellten sie 2013 den ersten vollelektrischen BMW, den i3 vor. Dann passierte aber lange nichts mehr. Klar, der i8, ein Hybrid-Sportwagen, kam 2013 auch noch auf den Markt. Aber seitdem gab sich BMW mit Hybrid-Modellen zufrieden.
Damit ist seit 2021 Schluss, mit dem iX3, iX und i4 sowie seit neuestem dem i7 und iX1 bietet BMW mittlerweile wieder fünf vollelektrische Fahrzeuge an. Uns steht für zwei Wochen das SUV-Flaggschiff iX zur Verfügung. Wir begnügen uns allerdings nicht mit der „Basis“ iX Xdrive40 (326 PS), sondern fahren die mittlere Motorisierung iX Xdrive50, die eine Spitzenleistung von 523 PS und 765 Nm Drehmoment bietet. Wie fährt der BMW im Vergleich zum EQS und e-tron GT, die kürzlich bei uns zum Test waren?
Groß, größer, iX (Niere)?
Mit 4,95 Metern Länge und einer Breite von 1,97 Metern spielt der iX im Segment des BMW X5 (Länge 4,92m, Breite 2,00m). Lediglich bei der Höhe baut der iX fünf Zentimeter niedriger (1,70m vs. 1,75m). Dementsprechend wuchtig tritt der iX auf, wobei hier natürlich die überdimensional große Niere an der Front ihren Anteil hat. Klar, große “Nieren” hat BMW auch in der Vergangenheit schon verbaut, etwas beim 502 aus den 1950er Jahren. In den letzten Jahren hatten wir uns allerdings an eine etwas weniger „aufdringliche“ BMW-Front gewöhnt.
Stilbruch im Cockpit
Auch im Innenraum macht der iX eine großen Sprung etwa im Vergleich zum aktuellen X5 (G05). Anders als beim X5 hat BMW die Anzahl der Knöpfe beim iX recht radikal reduziert, die frei belegbaren Schnellwahlknöpfe entfallen hier ebenso wie die beim X5 intuitive Klimasteuerung. Stattdessen setzt BMW beim iX auf ein zum Fahrer gekrümmtes, freistehendes 14,9 Zoll großes Zentraldisplay mit Touch-Steuerung. Die iDrive-Steuerung ist zwar – anders als beim neuen 2er Active Tourer – weiterhin mit an Bord, allerdings ist deutlich zu spüren, dass BMW sich wohl in Zukunft verstärkt der reinen Touch-Bedienung zuwenden wird. Schade! Immerhin ist der iX mit einer recht brauchbaren Sprachsteuerung ausgestattet, mit der sich zahlreiche Funktionen nutzen lassen.
Ein optischer Vorteil ergibt sich allerdings durch die reduzierte Bedienung. In Kombination mit dem Stoffbezug “Stonegrey” im Innenraum fühlt man sich auf den breiten Sitzen in der ersten Reihe fast wie auf dem Sofa im Wohnzimmer. BMW spricht hier auch recht passend vom “Loft-Design”. Wer weniger „Couch-Gefühl“ möchte kann allerdings die Seitenwangen individuell einstellen (Multifunktionssitze, 1600€). So thront man also SUV-typisch hoch über den Dingen. Wir legen mit der ebenfalls neuen, kleinen Schaltwippe auf der Mittelarmlehne „D“ ein und rollen leise los. Also zumindest theoretisch leise, denn das Beschleunigen wird durch von Starkomponist Hans Zimmer (u.a. Filmmusik zu „Fluch der Karibik“ und „Gladiator“) komponierte Töne untermalt. Das hört sich auf dem Papier aber spektakulärer an, als es in Wirklichkeit ist, also deaktivieren wir diese „Iconic Sounds“.
Klang wie im Heimkino: Bowers & Wilkins Soundsystem
Deutlich spektakulärer ist da das 4.800€ teure Soundsystem von Bowers & Wilkins (derzeit leider nicht bestellbar). Egal ob brachiale Tiefbasstiraden oder räumlich fein aufgelöste hohe Frequenzen – das Soundsystem beherrscht die gesamte Klaviatur und zählt – wie auch im BMW 8er, den wir 2019 gefahren sind – zum Besten, was uns bisher zu Gehör gekommen ist. Die 30 Lautsprecher mit einer Gesamtleistung von 1615 Watt sind dabei zu größten Teil unsichtbar verbaut, u.a. auch in den Kopfstützen, was auf Wunsch 3D-Klang ermöglicht. Neu im Vergleich zum BMW 8er: In den vorderen Sitzen sind sogenannte “Bass-Shaker” verbaut, welche die Sitze zusätzlich vibrieren lassen. Beim höherem Pegel reicht dafür aber auch die Leistung der zwei Subwoofer.
BMW iX: Fliegender Teppich aus München
Aber der iX ist ja – trotz Wohnzimmeratmosphäre und optional exzellentem Soundsystem – primär ein Fortbewegungsmittel mit knapp 2,6 Tonnen Lebendgewicht. Und die Kernkompetenz, das Fahren, meistert der iX auch souverän. Unserem Testwagen helfen dabei verschiedene Optionen. Zu nennen sind hier die Zwei-Kammer-Luftfederung und die Intelgral-Aktivlenkung (Allradlenkung). Damit lässt sich der iX in der Stadt trotz der großzügigen Abmessungen ziemlich wendig bewegen. Auf der Autobahn sorgt die Allradlenkung dann für stoischen geradeauslauf. Die Luftfederung wiederum vermittelt ein Gefühl wie auf einem fliegenden Teppich und filtert fast alle Unebenheiten zuverlässig heraus. Nun noch den „Drive Pilot“ aktiviert und zum Ziel fliegen.
Natürlich schiebt der iX dank der 765 Nm auch ordentlich an, bevor er aus Effizienzgründen bei Tempo 200 elektronisch eingebremst wird. Allerdings werden an einen BMW mit dem Motto „Freude am Fahren“ natürlich noch andere Ansprüche gestellt, als nur über die Autobahn bügeln. Diesseits der Autobahn leidet der iX dann an seiner Größe, insbesondere an der Breite von zwei Metern. Auf der Landstraße wird es hier schon einmal eng und in schnell genommenen Kurven neigt sich der Aufbau deutlich. Anders als der dezidiert sportlich ausgelegte Porsche Cayenne Turbo GT verzichtet BMW anscheinend auf einen aktiven Wankausgleich.
iX: Schwachpunkt Bremse
Ebenfalls Gewöhnung erfordert die Bremse. Standardmäßig rekuperiert der iX adaptiv, d.h. auf vorausfahrende Fahrzeuge sowie Kurven und Kreuzungen bremst der iX ziemlich zuverlässig von alleine. Erst bei starkem Ankern wird die tatsächliche Bremse aktiv, fordert dann aber einen kräftigen Bremsfuß um wirklich stark zu verzögern. Ein ähnlich diffuses Bremsgefühl haben wir leider auch beim EQS schon diagnostiziert. Vorteil: Die Bremsscheiben unseres Testwagens sich auch nach etwa 8000 Kilometern Laufleistung beinahe noch neuwertig.
Wer „Freude am Fahren“ also als tollen Langstreckenkomfort definiert, der kommt beim iX auf seine Kosten. Wer Freude am Fahren eher auf der Sonntagsrunde über die Landstraße verspürt, sollte sich eher am BMW i4 versuchen. Eventuell hat BMW aber beim Sportmodell M60 noch nachgearbeitet.
Gute Reichweite trotz SUV-Form
Womit wir beim Thema Reichweite wären. Zuletzt hatten wir hier recht unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Während uns der Mercedes-Benz EQS (und EQE –Testbericht & Video) mit geringem Stromverbrauch und hoher Reichweite (ca. 500 Kilometer als EQS 580 4matic) positiv überrascht hatten, war der Audi e-tron GT (Testbericht) eher ein „GT“ für die kürzere Strecke (ca. 280 Kilometer Reichweite).
Und der iX? Auf dem Papier sprechen der hohe Fahrzeugaufbau und der eher mittelmäßige cW-Wert von 0,25 für mäßige Reichweite. Auf der Haben-Seite steht allerdings der gut 111 kWh-große Akku (davon etwa 105 kWh nutzbar). Und der iX liefert. Mindestens 400 Kilometer sind (bei sommerlichen Temperaturen) praktisch immer möglich, wer gemütlich unterwegs ist kann den Verbrauch gar auf unter 20 kWh auf 100 Kilometer drücken. Macht eine Reichweite von über 500 Kilometern. Wir haben bei der alltagsnahen Nutzung durch die Stadt, über Landstraßen und Autobahn etwa 23 kWh auf 100 Kilometer eingefahren. Macht eine Reichweite von etwa 450 Kilometern, was für ein E-SUV ein wirklich guter Wert ist.
Weniger positiv fallen die Erfahrungen beim Thema Laden aus. Während das Laden an Hyperchargern mit bis zu 195 kW noch recht zügig funktioniert (10% auf 80% in 35 Minuten), leidet der iX beim AC-Laden unter dem großen Akku. Denn hier lädt der iX nur mit 11 kW, womit einmal Vollladen knapp zehn Stunden dauert. Und BMW bietet auch als Option keinen 22 kW Onboard-Lader an. Hier sollte BMW noch nachbessern. Die Ladeplanung übernimmt der iX dafür selbstständig und zufriedenstellen, wenn auch nicht ganz auf dem sehr hohen Niveau von Mercedes-Benz oder Tesla.
(Fast) auf Augenhöhe mit Mercedes-Benz
Wo steht BMW nun also im Vergleich zu EQS und e-tron GT? Während der iX auf ein gemütliches, reduziertes und schickes Interieur sowie betont komfortables Fahren setzt, präsentiert sich der EQS als Fahrzeug für die „Generation-Smartphone“ mit zahlreichen Displays und umfangreichem Ambientelicht, das im Detail noch etwas feiner verarbeitet ist als des iX, bei etwa gleichem Fahrkomfort. Der EQS ist im Vergleich zum iX aber auch noch etwas (bei unserem Testwagen 30.000€) teurer. Der e-tron GT ist im Vergleich zu den Kontrahenten deutlich konservativer konzipiert, das Cockpit könnte beispielsweise genauso im A7 stecken. Auch bei der Reichweite kann Audi derzeit nicht mit den Topmodellen von BMW und Mercedes-Benz mithalten. Nach dem Dornröschenschlaf ist BMW also wieder erwacht und im Vergleich zur Konkurrenz auf Augenhöhe.
Wie oben schon angedeutet gibt es den BMW iX nicht zu Sparkurs. Unser iX als Xdrive50 möchte derzeit mit mindestens 115.150€ bezahlt werden, im Testtrim werden sogar über 130.000€ fällig. Die Konkurrenz in Form von Tesla Model X (derzeit nicht lieferbar, ab ca. 115.000€) oder Mercedes-Benz EQS (SUV) ist allerdings auch nicht günstiger. Der EQS 580 4matic lässt sich derzeit ab 139.480€ bestellen.
Beschreibung | Daten BMW iX xDrive50 |
Abmessungen (Länge x Breite x Höhe) | 4,95m x 1,97m x 1,70m |
Spitzeneistung / Drehmoment | 385kW (523PS) / 765Nm |
Dauerleistung (Frontmotor / Heckmotor) | 70kW (95PS) / 95kW (129PS) |
Angetriebe Achsen | Allradantrieb |
Akkukapazität (Brutto / davon nutzbar) | 111,5kWh / 105,2kWh |
Beschleunigung 0-100 km/h | 4,6s |
Höchstgeschwindigkeit | 200km/h (elektronisch begrenzt) |
Gewicht | 2510kg / 2585kg mit Fahrer |
Verbrauch (WLTP / Testverbrauch) | 19,8-23,0kWh/100km / 23kWh/100km |
Reichweite (WLTP / Test) | 550-631km / ca. 450km |
Preis (Serie / Testwagen) | 115.150€ / ca. 132.000€ |