Bentley Fahrberichte

Bentley Continental GT Mulliner: Letzte Ausfahrt

Das war’s. Ende, aus, Micky Mouse. Als am 22.02.2023 die Pressemitteilung von Bentley ins Haus flatterte, dass der W12-Motor eingestellt wird, schluckten viele Autofans erstmal. Dabei war das Ende eigentlich absehbar: Schon 2020 kündigte Bentley an ab 2030 CO2-neutral sein zu wollen – da passt ein W12, auch mit Hybridunterstützung, nicht ins Bild. Nun läuft die W12-Fertigung im April 2024 aus, nach über 100.000 produzierten W12-Motoren am Firmenstandort Crewe in England. Ein Grund für Bentley zu einer letzten Ausfahrt mit dem Continental GT ‚Mulliner‘ nach München einzuladen – der wir natürlich sehr gerne nachkommen.

Die Außenlackierung ‘Damson’ wirkt, je nach Lichteinfall, schwarz, braun oder aubergine-farben. Das luxuriöse Auftreten unseres Mulliner-Testwagens unterstreicht der großzügig verchromte Grill in klassicher Drahtnetzgeflecht-Optik. Das Scheinwerfer-Design orientiert sich übrigens – wie auch die Coupélinie – bis heute am 1952 vorgestellten Bentley R-Type. (Quelle: Bentley)

November 2023, Bentley München: Unser Damson-farbener (je nach Lichteinfall schwarz, braun oder aubergine) Continental GT steht zur Abfahrt bereit, das Interieur dezent in grau-braun gehalten, dazu magentafarbene Nähte und Akzente. Unter der Haube: Sechs Liter Hubraum, verteilt auf zwölf Brennkammern, angeordnet als ‚W‘ und von zwei Twin-Scroll-Turboladern unter Druck gesetzt. Natürlich gibt des den Continental GT auch mit dem „kleineren“ Vier-Liter-V8, der noch immer stattliche 550 PS mobilisiert und der uns im Sommer im GTC V8S-Testwagen große Freude beschert hat (Testbericht). Doch als Inbegriff für Luxus und Komfort gilt landläufig ein Zwölfzylindermotor. Etwas wehmütig drücken wir den Startknopf im ‚Diamond-Cut‘ verzierten Drivemode-Regler und der W12 springt kurz aufheulend an, bevor in einen ruhigen Lauf verfällt. Wir rollen vom Hof zur vermutlich letzten Ausfahrt mit Zwölfzylinder unter der Haube.

Aussterbende Art: Der W12 ist bei Bentley ab April 2024 – nach etwa 105.000 gebauten Motoren – leider Geschichte. (Quelle: Bentley)

Erstklassige Materialien im Innenraum

Während wir uns durch die Münchner Rushhour kämpfen bleibt Zeit den Blick durch den Innenraum schweifen zu lassen. Schließlich hat man uns hier nicht „irgendeinen“ Continental GT zur Verfügung gestellt, sondern die besonders luxuriöse Spitze der Modellreihe, den ‚Mulliner‘. Wo immer möglich hat Bentley hier feinstes, weiches Leder verlegt, dazu sind die Drehregler (selbstverständlich aus Metall) mit Diamantschliff versehen, bis hin zur Innenseite der Türöffner. In Zeiten von Displaylandschaften wirkt zwar das 12,3″-Zentraldisplay etwas verloren und doch macht das den Charm des Autos aus. Knopf drücken und das Infotainmentdisplay mit etwas angestaubter Audi/Porsche-Optik weicht durch Rotation drei klassisch analogen Rundinstrumenten. Was irgendwie auch besser zum gediegenen Charakter passt.

Feines Leder, poliertes Metall, analoge Uhr: In Zeiten von harten Kunststoffen und großen Displaylandschaften gibt der Continental GT den gediegenen, stilvollen Gegenpol. (Quelle: Bentley)

Bentley Continental GT: Mit W12 der perfekte Reisewagen

Dann endlich eröffnet sich vor uns die A8, das Cockpitdisplay mit Mulliner-spezifischem Design signalisiert Betriebstemperatur und fünf Balken auf weißem Grund das Ende des Tempolimits. Wir treten aufs Gaspedal und der Continental GT lässt Beschleunigung folgen. Nicht laut schreiend, viel mehr schüttelt der W12 seine 659 PS und 900 Nm Drehmoment ganz locker aus dem sprichwörtlichen Handgelenk, während wir in den Sitz gedrückt werden. Spürt man die 109 Extra-PS sowie die zusätzlichen 130 Nm im Vergleich zum V8? Subjektiv nicht – und doch ist der Fahrzeugcharakter ein ganz anderer. Wo unser V8S-Testwagen (mit Sportabgasanlage) im Sommer eher den Sportfahrer getriggert hat, gibt sich unser W12-Mulliner ganz Gentleman-like zurückhaltend. Ganz nach dem Motto: ‚Ich kann, wenn ich will – aber ich muss nicht.‘ So geht souveränes Reisen!

Bentley Continental GT W12 Mulliner Heckansicht

Was unter der Haube steckt sieht der Kenner am Heck: Die Endrohre sind beim aktuellen Modell nur beim W12 oval ausgeführt, der V8 trägt zwei kleinere Endrohre pro Seite, die zusammen eine ‘8’ (für 8 Zylinder) stilisieren. (Quelle: Bentley)

Sein sportliches Talent darf der Continental GT dann auf den Landstraßen des Chiemgaus zeigen. Mehr als zwei oder dreihundert PS braucht man dort eigentlich nicht. Und doch ist es beeindruckend wie spielerisch souverän der W12 aus den kleinen Ortschaften beschleunigt. Kein Ausdrehen, kein Vollgas, keine hektischen Gangwechsel. Wir nutzen das quasi ab Standgas anliegende Drehmoment und erfreuen uns an Landschaft, Sonnenuntergang, feinen Innenraummaterialien und Motorklang. Auch durch Kurven fährt das Coupé ganz entspannt, das serienmäßige 48V-Bordnetz mit aktiver Wankstabilisierung kaschiert die knapp 2,3 Tonnen Leergewicht ziemlich gut. Welche ein Privileg so, vom sündhaft teuren, aber erstklassig aufspielenden Naim-Soundsystem untermalt, durch die Dämmerung zu gleiten.

Nach Einbruch der Dunkelheit rollen wir wieder bei Bentley auf den Hof und geben etwas geknickt den Schlüssel zurück. Ein letzter wehmütiger Blick zum Coupé, dann geht unser Termin bei Bentley zu Ende. Vielen Dank, Bentley, dass ihr uns diese letzte Ausfahrt ermöglicht habt!

Bentley Continental GT Erlkönig 2023

Die Ablösung naht: Im September 2023 konnten wir auf der Autobahn einen Erlkönig des anstehenden Facelifts fotografieren. Auffällig: Neue, größere Rückleuchten und ein geänderter Diffusor. Die Vorstellung dürfte Anfang 2024 erfolgen.

Facelift-Modell voraussichtlich mit V8-Hybrid

Wer nun Lust bekommen hat noch in letzter Minute einen Bentley mit W12 zu bestellen wird leider enttäuscht: Die Bestellfrist hierfür ist am 14.11. ausgelaufen und die ‚Edition 12‘ als letzte W12-Sonderserie dürfte auch ausverkauft sein. Was kommt also? Im September konnten wir einen Continental GT-Erlkönig fotografieren, der Anfang 2024 vorgestellt werden dürfte. Was dort unter der Haube steckt wollte man uns allerdings noch nicht verraten. Einen Hinweis gibt sicherlich der frisch überarbeitete Plattformspender Porsche Panamera. Dort gibt es einen V8-Hybrid mit 680 PS. Denkbar ist auch die Leistungsstufe aus dem Cayenne mit 739 PS. Zudem bietet Bentley im Bentayga bereits einen V6-Hybridantriebsstrang mit 462 PS, der im Cayenne 519 PS leistet. Und da Bentley erst ab 2026 nur noch Plug-In-Hybride auf den Markt bringen möchte, besteht auch Hoffnung auf eine reine V8-Version mit dem 600 PS-Motor (EA825) aus dem Audi RS6/RS7.

Über den Autor

Jonas Braunersreuther

Autor Jonas Braunersreuther interessiert sich von Kindesbeinen an für sportliche Autos und Zweiräder sowie neue Entwicklungen auf dem Automobilmarkt.

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